Eine sehr junge Kollegin zieht gerade von zuhause aus und mit ihrem Freund zusammen. Dreizimmerwohnung, Wohnzimmer, Schlafzimmer, Büro (so heißt hier in Schwaben das Arbeitszimmer. Die Betonung liegt übrigens auf der ersten Silbe.). Ich frage immer mal wieder nach, wie der Umzug läuft. Erst wurde die Küche geplant und bestellt. Nun warten sie noch auf das Sofa, das irgendwann in den nächsten Wochen geliefert werden soll. Ich staune darüber, wie unterschiedlich Leben verlaufen. Als ich so alt war wie die Kollegin, bin ich gerade aus meinem Zwölfquadratmeterzimmer aus einer 7er-WG in ein größeres Zimmer in einer 3er-WG vom einen Ende ans andere Ende der Stadt gezogen. Ich hatte noch etwa drei Jahre Studium vor mir. Die meisten meiner Kommilitonen lebten in WGs oder Wohnheimen. Zusammenlebende Pärchen mit klassischer Wohnungaufteilung (Wohn-, Schlaf-, Arbeitszimmer) waren eher die Ausnahme. Dort haben wir dann mit leuchtenden Augen die IKEA-Selbsteinbauküchen bestaunt, standen doch in den WG-Küchen meist irgendwo günstig aufgetriebene, zwanzig Jahre alte Elektroherde kombiniert mit Baumarkthängeschränken und -regalen oder selbst gebauten Provisorien aus Möbelschätzen aus elterlichen Kellern. (Ich kann mich noch erinnern, wie wir zu dritt ganz versunken vor den versenkbaren, von innen beleuchteten Drehknöpfen eines Herdes standen. Davon träumen Studenten: sich einen richtigen Herd leisten zu können.) Spülmaschinen waren der absolute Luxus und der Traum jeder WG. Ebenso war es mit Waschmaschinen. Meine erste WG war ohne Waschmaschine, in der zweiten stand eine 30 Jahre alte Maschine, die irgendwann zu einem Wasserschaden im Laden untendrunter führte. Später hatten wir eine, an der die Temperatur mit der Zange einzustellen war und dann wieder eine vom Vormieter übernommene, die irgendwann das Heizen aufgab. Neue Sofas gab es unter Studenten auch so gut wie nie. WGs mit Sofas in einem separaten Wohnzimmer waren sehr cool. Die Sofas waren meistens über drei Ecken von der Oma eines Bekannten oder ganz einfach vom Sperrmüll organisiert. So sahen sie auch aus. Wie aus einem Omawohnzimmer. Und trotzdem unglaubliche Schätze für Studenten. Nie wäre eine WG auf die Idee gekommen eine Sofa im Möbelhaus zu bestellen. Das höchste der Gefühle war hier und da mal ein neues IKEA-Sofa.
So unterschiedlich können Lebensentwürfe sein. Während man als Student höchstens für die nächsten drei Jahre plant, plant meine Kollegin so jung schon fürs Leben. Nun frage ich mich, ob meine junge Kollegin was versäumt, weil sie nie arm und jung gewesen sein wird? Verpasst sie was, weil sie aus der elterlichen Wohnung direkt in eine eigene gutbürgerliche Wohnung zieht, ohne den Umweg über einzige Zimmer in ungeputzen WGs zu machen? Irgendwie glaube ich ja schon, obwohl sie es wohl nie vermissen wird.