Archive for Dezember, 2010

Geschwister

Gerade komme ich von einem Treffen mit meinem Schwesterchen in Köln zurück. Ich war dienstlich in der Nähe. Da ich ohnehin keine Lust hatte mit der Reisekostenstelle ums Conference Dinner zu streiten, hab ich den Abend mit dem Schwesterchen verbracht. Auf dem Weg dorthin, dachte ich über unsere Kindheit nach. Bei uns gab es früher vieles nicht was andere hatten. Wir sind zum Beispiel nie mit unseren Eltern in Urlaub geflogen, haben keine Hotelurlaube gemacht. Wir waren daran gewöhnt auf Ausflüge unser eigenes Essen mitzunehmen statt irgendwo einzukehren. Wir waren sowieso nicht oft essen (was bestimmt auch kein Vergnügen war mit vier mäkelnden Kindern). Bei uns gab’s Joghurt aus dem 500g Becher und Brot selbstgebacken. Es gab keine Fruchtzwerge und keine Milchschnitten. Zu trinken nahmen wir abgefüllte Flaschen mit zur Schule  statt Trinkpäckchen. Klingt furchtbar? Nicht wirklich. Wir kannten es ja nicht anders. Dafür haben wir drei Geschwister gehabt. Drei Menschen, die mir, egal wie weit sie weg sind, immer nah sein werden. Die immer da sind, auch wenn man manchmal eine Weile nichts voneinander hört. In Love Story heißt es „Love means never having to say you’re sorry“. In einem Geschwisterleben streitet man sich zwangsläufig. Und trotzdem gibt es hinterher oft keine herzerweichenden Entschuldigungen. Nicht weil Geschwister unhöflich sind, sondern weil es einfach unnötig ist. Warum soll man sich bei jemandem entschuldigen, der ohnehin weiß, wie es in einem aussieht und einen trotzdem liebt. Was ich damit sagen will: Ich hab gerne auf vieles verzichtet und habe dafür drei Geschwister. Manchmal wünsche ich mir, näher bei ihnen zu wohnen, dass die räumliche Distanz so klein wird, wie die in unseren Herzen.

Was mir so im Kopf rumspukt

Wie schneidet man eigentlich einem Kleinkind die Haare? Aufgrund der Locken des Kleinen, konnten wir das noch eine Weile herauszögern. So langsam und vor allem nach dem Waschen und Kämmen trägt er jetzt die Albert Einstein Gedächtnisfrisur, so dass wir nun übers Abschneiden nachdenken. Ohne die Locken würde er schon eine geraume Zeit durch die Fransen blinzeln müssen. Aber wie schneidet man die? Ich kann mir kaum vorstellen einem wachen Kind die Haare zu schneiden. Da grapscht er doch permanent nach der Schere, dreht den Kopf oder haut ab. Schon beim Kämmen läuft man ihm durch die ganze Wohnung hinterher. Die Idee einfach mit dem Langhaarschneider auf 10 mm zu schneiden, finde ich nicht so toll. Ist ja schließlich Winter. Und außerdem, die schönen Locken! Also, wie macht man das? Alternativ können wir auch ein Päckchen rosa Glitzerhaarspangen kaufen, uns von anderen Eltern komisch anschauen lassen und hoffen, dass er uns als Teenager nicht dafür hasst.

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Es schneit. Solange ich keinen Kinderwagen durch den Schnee bewegen muss, finde ich das ganz schön. Es erinnert mich immer ein bisschen an zu Hause. Wenn man jahrelang in der Rheinebene gelebt hat, vergisst man, dass Winter nicht nur grau und regnerisch sein muss. Es kann auch mal schneien und der Schnee kann sogar liegen bleiben. Ich muss dann immer daran denken, wie früher einen Tag das Chaos ausbrach, weil komischerweise im November niemand an einen Wintereinbruch gedacht hatte. Dann stellten sich auf der B31 die LKWs ohne Schneeketten quer oder blieben irgendwo am Randen hängen. Und bei uns kamen keine Busse. Zu Fuß oder mit dem Auto kamen wir dann viel zu spät in die deutlich geleerten Klassenräume. Alle mit einem weiteren Weg konnten ja nicht einfach laufen. Es war aufregend, spannend und manchmal auch nervenaufreibend, wenn z.B. Klassenarbeiten in den ersten zwei Unterrichtsstunden angesetzt waren. Und leider war es nach einem Tag immer vorbei. Am nächsten Tag kamen überall vor sieben Uhr morgens die Räumfahrzeuge, es war geschippt und gestreut, die LKWs hatten Schneeketten und die Busse kamen wieder durch. Wenn man das kennt, ist man immer wieder überrascht, wie schlecht in scheeärmeren Gebieten mit Schnee umgegangen wird. Da liegen dann zwei Zentimeter Schnee und die Autos kriechen im Berufsverkehr mit Sommerreifen über die ungeräumten Straßen. Man vermutet, dass es für 200000 Einwohner nur einen Schneepflug gibt. Sowieso fährt jeder Straßenbahn der kann, weil bei „dem Wetter“ will ja niemand Autofahren. Die Gehwege sind weder geräumt noch gestreut und nach ein paar Tagen ist aus dem bisschen Schnee eine halsbrecherische Eisplattenlandschaft geworden. Da muss ich dann manchmal dran denken, wie wir im ersten Schneewinter mit Führerschein extra losgefahren sind, um zu üben die Kurven mit der Handbremse zu fahren. Und ein bisschen schlittern auf großen Parkplätzen. So konnte man fahren auf Schnee lernen. Und so lernten wir, dass man zwar vorsichtiger fahren muss, es am Ende aber eben doch nur Schnee ist. Nichts womit man nicht klarkommen kann.

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Wir haben am Wochenende The Town angeschaut. Hat mich sehr beeindruckt und mitgerissen. Ben Affleck ist eindeutig in den Rollen am besten, die er sich selbst schreibt. Dabei sollte er bleiben.

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Ich lese immernoch Twilight. Bin heute morgen in der S-Bahn bei der Zeltszene angelangt. Die ist toll, wahrscheinlich die beste Szene im dritten Buch, das im Vergleich zum zweiten Buch auch beim zweiten Mal lesen deutlich schwächer ist. Beim Lesen der Zeltszene fiel mir wieder ein, dass im Vorfeld der Premiere des Films darüber bereits berichtet wurde. Da hieß es, es gäbe eine heiße Szene zu dritt im Zelt und wer weiß, wer weiß… Fand ich damals schon total blöd. Wer die Bücher kennt, weiß, dass es auch in Band drei noch keusch zugeht und wer sie nicht kennt, dem ist der Film doch sowieso egal. Oder hat sich den Film irgendjemand angeschaut, weil er hoffte eine S*xszene mit Bella, Edward und Jacob zu sehen?

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Ich hab mich endlich damit abgefunden, dass Pacey Witter jetzt Peter Bishop heißt und bin jetzt bei der dritten Staffel in Fringe eingestiegen. Gefällt mir. Bei Gelegenheit muss ich mal die ersten beiden Staffeln nachholen.

Live in Schwaben

Wer mal bildlich sehen will, was an den Schwaben seltsam ist, der sollte mal hier vorbeischauen. UNGLAUBLICH!!!

So war das mit dem Essen

Ich schreibe heute etwas über mich, das kaum jemand weiß. Für mich ist der Abstand jetzt groß genug um es zu erzählen. Allerdings möchte ich nicht öffentlich hier darüber disskutieren. Deshalb sind die Kommentare hier geschlossen. Wer mir dazu etwas sagen will, kann das gerne auf einem anderen Wege tun.
Es gab mal eine Zeit, da war ich einer Essstörung deutlich näher, als einem normalen Essverhalten. Das ist jetzt etwas mehr als zehn Jahre her, in den Ferien nach meinem zweiten Semester ging es los. Ich war damals einsam, obwohl ich fast ständig von Menschen umgeben war. Während alle sich scheinbar mühelos im Studentenalltag bewegten, war ich unsicher. Ich hatte zwar Freunde, aber nach einem Jahr Studium war vieles noch sehr oberflächlich und kein Vergleich zu dem, was ich in der Schulzeit an Freundschaft kannte. Ich hatte eine Fernbeziehung und einen besten Freund, der in mich verliebt war. Das hatte ich erst eine Weile ignoriert oder verdrängt. Irgendwann musste ich mich aber damit auseinandersetzen und damit kam dann die Angst, das wackelige Gerüst, dass mich hielt, zu zerstören. Und so blieben Dinge zu lange ungesagt und ich war einsam, obwohl ich nicht alleine war. Dann war eine Hose eng, und ich hab gemacht, was ich früher schon manchmal gemacht habe: kaum gegessen. Das heißt ich habe, nach Möglichkeit, ein bis zwei von drei Mahlzeiten weggelassen. Es war toll, als die ersten Hosen zu groß wurden. Ich dachte mir geht es besser, obwohl sich nichts geändert hatte, außer mein Essverhalten. Es ist niemandem aufgefallen, weil ich normal gegessen habe, wenn andere dabei waren. Niemand hat sich gewundert, dass ich abnehme, weil ich körperlich gearbeitet habe. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie es am Anfang war, aber zu Beginn der Ferien nach dem Wintersemester war ich bei einer Mahlzeit täglich angekommen. Abends habe ich gegessen. Die Vorstellung abends nichts zu essen war schwierig, aber es ging auch, wenn ich, um den Anschein eines normalen Essverhaltens zu wahren, gezwungen war mittags mit Kommilitonen zu essen. Wenn ich an den Wochenenden woanders war, habe ich auch normal gegessen, weniger, aber relativ normal. In den Ferien war es meistens einfacher die Regeln einzuhalten, weil ich meinen Tag allein gestalten konnte und nicht mit anderen essen musste. Die Regeln waren einfach. Grundsätzlich nur eine Mahlzeit am Tag. Es gab Salat und ein Brötchen. Das Brötchen habe ich geviertelt, dann waren es ja quasi vier Brötchen. Wenn ich gearbeitet habe, musste ich manchmal zwischendurch etwas essen. Da galt dann die Regel, dass ich nur drei verschiedene Sachen essen darf. Brötchen und Salat waren schon zwei, also noch ein Joghurt oder einen Apfel. Ich hätte auch noch einen Salat, fünf Brötchen und zehn Äpfel essen „dürfen“, aber nicht noch eine Banane. Absurd, ich weiß.
Ich hab mich nicht gewogen. Ich hatte keine Waage. Ich musste mich also bei Zu- oder Abnahmen auf mein Körpergefühl verlassen. Ich hab mich morgens im Spiegel angeschaut und abends mein Bauchfett betastet, ob es mehr oder weniger geworden ist. Mein damals bester Freund hat mich einmal auf die Waage gezwungen, weil er mir demonstrieren wollte, dass ich ein paar Kilo weniger wiege, als ich vermute. Er hat mir dann auch vorgerechnet, wieviele Kalorien ich im Moment am Tag zu mir nehme. Ich glaube er wollte mir zeigen, dass es zuwenig ist, aber ich war geschockt wie viel es ist. Ich war mir ziemlich sicher, dass es schwer wäre, die Kalorienmenge weiter zu reduzieren, wenn ich weiterhin den Eindruck erwecken wollte normal zu essen und körperlich arbeiten wollte. Da ging es los, dass ich fürs Einkaufen ewig gebraucht habe. Ich habe auf jedem Käse, jeder Wurst und jedem Joghurt die Kalorienmenge verglichen (ich war froh, dass es fast überall aufgedruckt war) und dann das gekauft, was die wenigsten Kalorien hatte, statt dem, was ich am liebsten essen wollte.
In den Ferien vor dem Sommersemester waren wir öfters im Wake-Up-Kino, umsonst mit Frühstück. Als ich dort ein süßes Teilchen und eine Brezel gegessen hatte, saß ich im Kinosessel und dachte, ich muss kotzen, weil mein Magen so ungewohnt voll war. Bei der Arbeit musste ich manchmal zwischendrin anhalten und etwas essen, weil mir schwindlig geworden war. Man könnte sagen, es waren Warnsignale meines Körpers, aber für mich war es der Triumph über meinen Körper. Es ist schwer zu verstehen, aber ich habe meinen Körper und mich nicht als ein Einheit wahrgenommen. Ich hatte das Gefühl, dass irgendein böser Zufall mich in einen schrecklichen Körper gesteckt hatte. Es war mir egal, was ich meinem Körper antat, schließlich tat er mir auch nichts gutes. Ich weiß, dass ich mal versucht habe, es meinem besten Freund zu erklären, aber er hat mich nur verständnislos angeschaut. Eigentlich war er fast der einzige, der irgendwas zu meinem Essverhalten gesagt hat, aber er war auch der einzige, der es mitbekommen hat. Aber er war nicht der richtige, konnte mich nicht davon abbringen. Mein Vater hat mich mal bei einem Besuch gefragt, ob ich den äße. Ich fand es albern, weil wir zum Essen verabredet waren und ich offensichtlich aß. Ich hab mich aber auch gefragt, woher er weiß, dass ich kaum esse. Schließlich war ich vom Untergewicht noch weit entfernt.
Dann passierte, was passieren musste. Es gab ein überfälliges klärendes Gespräch mit meinem besten Freund über seine und meine Gefühle und daraufhin eine beendete Freundschaft. Für ihn war es bestimmt keine schöne Zeit, für mich allerdings auch nicht. Ich war plötzlich allein, hatte das Gefühl sein Leben geht einfach ohne mich weiter. Und ein paar unserer Freunde hat er gleich mitweggenommen. Es war wie schlussmachen ohne zusammen gewesen zu sein. Es tat weh zu sehen, dass er mit meinen Freunden Dinge unternahm, während ich zuhause saß. Zum einen ging es mir schlecht, aber ich öffnete mich neuem, war auf der Suche. Aufgefangen hat mich die Arbeit. Plötzlich lernte ich die Menschen kennen, mit denen ich seit über einem Jahr zusammen arbeitete. Ich habe D. kennengelernt und irgendwie hat er mich erreicht. Als er mir mal sagte, dass ein Joghurt und ein Pfirsich zu wenig für einen Tag Arbeit sind, kam es an. Und so kam es, dass ich wieder angefangen habe mehr zu essen. Ich weiß nicht, ob er es weiß, aber irgendwie hat D. mich gerettet. Bis ich wieder essen konnte ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, hat es allerdings noch vier Jahre gedauert und manchmal hinterher habe ich mir gewünscht, ich könnte mich wieder so hassen fürs Essen.
Jetzt weiß ich, dass das alles nicht richtig war. Meine Gefühle von damals sind mir fremd. Mein Körper und ich verstehen uns ganz gut, wir sind wieder eins. Ich esse gerne und will nicht verzichten. Und deshalb musste ich fast lachen, als mein Vater im Herbst meinte, beim Abnehmen müsse man aufpassen, dass man nicht in eine Magersucht rutscht. Ich weiß es, weil ich es kenne und doch bin ich davon jetzt meilenweit entfernt.