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Juni

Jedes Jahr wenn der Juni losgeht, frage ich mich, ob ich eigentlich hier schon geschrieben habe, wie sehr der Juni der beste Montag des Jahres ist. Wie es scheint, habe ich das noch nicht erläutert!

Der Juni ist nicht nur der beste Monat, weil ich da Geburtstag habe, sondern vor allem deshalb, weil er den Sommer verheißt. Im Juni ist der Sommer noch unverbraucht. Alles ist satt grün und noch frisch. Der Raps ist durch, die Kornfelder sind ein grünes Meer, der Mohn scheint rot am Wegesrand und der ganze Garten riecht nach Holunderblüte. Im Juni sind die Tage beinahe unendlich. Fast jeden Tag geht die Sonne später als am Vortag und beim Aufstehen ist es schon ewig hell. Im Juni liegt der ganze Sommer noch vor uns und die Möglichkeit auf einen unsagbar tollen Sommer steht offen. Was macht da ein Regentag, wenn der Sommer doch gerade erst beginnt? Der Juni riecht nach frisch gemähtem Heu und schmeckt nach Erdbeeren. Im Juni packt man zum ersten Mal die Sandalen aus und tauscht die langen gegen die kurzen Hosen, hoffentlich bis Oktober. Der Juni ist die Entschädigung für den ganzen verdammten dunklen und kalten Winter. Und deshalb ist der Juni der beste Monat des Jahres!

Dieses Jahr steht im Juni an:

  • Ein Kurztrip zum Zelten in die Berge
  • Ein Ausflug in den Europapark
  • Sohn1s Geburtstag
  • Fußballturniere
  • Zwei Schulfeste
  • Eine Dienstreise nach UK

Süßigkeiten zelebrieren

Nachdem Frau Brüllen ja neulich eindrücklich erläuterte, wie sie am liebsten TropiFrutti isst, dachte ich, ich erzähle mal, wie ich bestimmte Süßigkeiten esse. Oder eher, wie ich das früher gemacht habe. Damals, als Süßigkeiten essen noch mehr war: „ich ess jetzt gemütlich beim Fernsehen die vom kargen Taschengeld erworbenen Köstlichkeiten.“ und weniger: „ich brauch Schokolade. Schnell rein, bevor ein Kind was abhaben will“. Außerdem kann man auch schon mal seltsame Blicke ernten fürs Süßigkeiten zerlegen. Hier nun ein paar Beispiele:

  • Schokoküsse: Klar, erst die Schokolade abschalten, den Schaum essen und dann die Waffel. Das machen so viele Leute so, dass das ja schon fast gesellschaftlich akzeptiert ist. Und wer das noch nie gemacht hat, hat das einmalige Gefühl, den ganzen Mund voll nacktem Schokokussschaum zu haben, verpasst. Allerdings muss ich dabei immer dran denken, dass meine Mutter das Schokokussinnere Elefantenspucke nannte und das ist schon ein bisschen eklig.
  • NicNacs: Das sind diese teigumhüllten Erdnüsse. Davon nehmen ich immer zwei in den Mund, heiße nacheinander die Teighülle auf und kaue die zuerst. Erst danach die Erdnüsse. Und zwar in jeder Backe eine. Kann man auch in Gesellschaft machen ohne komisch angeschaut zu werden.

  • Pringels: Vor dem Essen erst die konkave und danach die konvexe Seite ablecken. Gilt eigentlich für alle Sorten, außer Original. Aber wer isst schon Original?!
  • Schokolade: Am liebsten im Mund zergehen lassen. Eine Zeitlang habe ich mir Ritter Sport Alpenmilchschokolade gekauft, die auf der Heizung in der Verpackung vollständig schmelzen lassen (geht halt nur bei Vollplastikverpackung) um sie anschließend auf der Fensterbank wieder erkalten zu lassen. Danach war sie wunderbar cremig und wurde in kleinen Stücken gelutscht.
  • M&Ms: Bunte Zuckerkruste ablutschen, weiße Kruste mit der Zunge zerdrücken, Schokolade lutschen und dann die Nuss kauen. Nach einem langen Kinoabend kann da schon mal der Gaumen wund sein, von der harten weißen Kruste.
  • Nussmischungen: Immer in einer der Mischung angepassten Reihenfolge. Die besten zuletzt. Bei Erdnüssen immer die halben zuerst und dann die ganzen.
  • Ferrero Rocher/Rafaello: Erst die außer Hülle vorsichtig abknabbern, bis die Waffelkugel frei liegt. Auseinander nehmen, Creme und Nuss/Mandel rausessen, Waffelhalbkugeln essen.
  • Toffifee: Mit einem Löffelstiel die Schokoplatte abheben. Mit dem Löffelstiel die Nougatcreme rauslöffeln und die Nuss frei legen. Nuss essen. Als letztes wird die Karamellhülle gegessen.
  • Gummitiere: Am liebsten nach Farben und Bestandteilen getrennt. Also bei diesen Fröschen auch immer das weiße getrennt vom Rest. Dafür hab ich auch schon die Schere benutzt. Mehrfarbige Gummitiere werden am Farbübergang abgebissen. Eine zeitlang habe ich die Tiere aus der Phantasia-Mischung über einer Kerze gegrillt. Lange bevor hier Marshmallows populär wurden. Superlecker.

Grundsätzlich finde ich es gut, die Süßigkeiten in Einzelbestandteile zu zerlegen. Schokolade abnagen, Hälften teilen, Creme rausessen. Bei vielem kriegt man klebrige Finger, deshalb mach ich so was nur noch zuhause. Ist halt mein Slowfood. Aber ansonsten bin ich völlig normal. Ehrlich!

Ich bin Feministin

Das ist ja vielleicht nichts Neues, aber angestoßen durch eine twitter-Frage von Glücklich Scheitern, hat sich auch schon Mama Miez zu dem Thema geäußert und da wollte ich gerne auch meinen Senf dazu abgeben.
Ich bin mit der Zeit Feministin geworden. Als ich noch zur Schule ging, war ich auch oft der Meinung, wir hätten doch im Bezug auf Gleichberechtigung schon alles erreicht. Seit ich denken kann, war ich gleichermaßen mit Jungs und Mädels befreundet. Ich hab mit Puppen gespielt und fand Barbie doof. Ich kann mich nicht erinnern eine ausgeprägte Rosaphase gehabt zu haben und zu Grundschulzeiten fand ich rosa völlig inakzeptabel. Ich hatte lange Jahre meiner Kindheit kurze Haare. Das heißt, um den ganzen Jungs-Mädchen-Quatsch habe ich mich immer wenig gekümmert. Deshalb hab ich mir auch nie viele Gedanken darüber gemacht, dass ich gut in Mathe war und hab auch bei der Studienwahl nicht drüber nachgedacht, ob da wohl andere Frauen in meinem Semester sein werden. Das soll aber nicht heißen, dass ich nicht schon zu Schulzeiten damit konfrontiert wurde, dass das eben nicht in allen Köpfen so ist. Als ich in der zwöften Klasse in allen sechs Matheklausuren 15 Punkte schrieb‘, war das wohl so eine Sensation, dass sogar die 13er davon Wind bekamen. Einer von denen äußerte sich sehr ungläubig und meinte, ein Mädchen, dass so gut sei in Mathe, das könne er nicht glauben.
Das Grundstudium habe ich mit den Physikern absolviert. Der Frauenanteil lag bei 25 %. In den ersten Semestern wurden in den physikalischen Fächern spezielle Tutorien für Frauen angeboten. Bei uns hat das niemand wahr genommen und verstanden was das soll, habe ich damals auch nicht. Im Tutorium muss man an der Tafel Aufgaben vorrechnen. Es gibt wohl Frauen, die sich da weniger trauen, wenn Männer anwesend sind.
In meinem Hauptfach waren wir zu sechst, ich war die einzige Frau. Mir war das egal. Ich hatte auch hier noch nicht den Eindruck, dass man als Frau viel anders behandelt wird. Trotzdem kam es immer wieder vor, dass man Professoren erlebte, die sich in Prüfungen Frauen gegenüber unmöglich verhielten oder das Praktikumsbetreuer völlig von der Rolle waren, wenn man im Sommer bei über 30 °C im kurzen Rock und Trägertop auftauchte.
Ich hatte auch bei meiner Bewerbung nach dem Studium keine Probleme. Ein Gespräch und den Job hab ich immer noch. Zuerst arbeitete ich im Bauingenieurwesen, jetzt im Maschinenbau. Durch meine Teilnahme an einem Mentoring-Programm zur Frauenförderung als Mentee und in einem Online-Mentoring-Programm für Schülerinnen als Mentorin, habe ich gelernt, dass es erstaunlich viele Mädchen gibt, die sich nicht trauen sich in technischen Bereichen zu bewerben. Im Moment ist es in der Tat so, dass die Frauen, die sich in Männerdomänen durchsetzen, vielleicht wenig Probleme mit Diskriminierung oder diesbezüglich ein dickes Fell hatten. Es ist aber sehr wichtig der kommenden Generation beizubringen, dass sie alles tun können, was sie wollen, unabhängig von ihrem Geschlecht. Deshalb störe ich mich an geschlechterspezifischem Spielzeug, an Mädchen- und Jungsfarben und überhaupt daran, dass es heute sogar Klebstoff und Badezusatz in rosa und blau für Prinzessinnen und Piraten gibt. Ich möchte, dass Kinder lernen, dass es wichtig ist, klug und selbstbewusst zu sein, statt hübsch oder stark.
Das heißt aber nicht, dass ich meinen Söhnen geschlechtsneutrales Spielzeug aufzwinge. Der Herr Gartenhein interessiert sich von kleinauf hauptsächlich für Autos. Niemand von uns hat ihm das vorgelebt, wir hatten lange Zeit nicht mal ein Auto. Trotzdem hat er mit etwa einem Jahr beim benachbarten Autohaus mit den Maseratis gekuschelt. Der Schlökerich interessiert sich viel stärker für Rollenspiele (z.B. Playmobil), für Babys (Puppen) und fürs Kochen. Er ist sehr fürsorglich, bringt einem Kissen und Decken, wenn man auf dem Sofa liegt. Kinder sind eben unterschiedlich. Ich erlaube ihnen sich mit den Dingen zu beschäftigen, die sie interessieren, ganz egal, ob das „Jungs“- oder „Mädchenspiele“ sind. Ich bin sehr froh, dass meine Kinder nicht die klassische Rollenverteilung kennen lernen, sondern sehen, dass der Papa einkauft, kocht und putzt, während die Mama arbeitet, Auto fährt und Fahrräder repariert.
Wir haben die umgekehrte Rollenverteilung nicht deshalb gewählt, weil ich ein besonderes Karrierebedürfnis habe (obwohl ich schon immer gesagt habe, dass ich mal arbeiten will, auch wenn ich Kinder habe), sondern einfach aus dem Sachzwang heraus, dass ich der Hauptverdiener war und bin. Dazu kommt, dass ich eigentlich gerne zur Arbeit gehe und D. sehr dankbar bin, dass er mir meine Arbeit in der Form ermöglicht. Dadurch, dass er zuhause ist, was er übrigens auch gerne macht, kann ich ohne größere Probleme an Fachtagungen teilnehmen oder auch mal im Außendienst unterwegs sein. Mir ist aber durchaus bewusst, dass wir ein ungerechtes Modell nur umgekehrt leben. Dem Feminismus liegt daran, dieses ungerechte Modell zu verbessern. Warum muss jemand, der entscheidet ein paar Jahre bei seinen Kindern zu verbringen im Alter dafür büßen, weil er zwar die Rentenzahler großgezogen hat, dafür aber keinen Beitrag in die Rentenkasse gezahlt hat.

In der Arbeitswelt ist die Gleichberechtigung leider noch nicht überall angekommen und wer das denkt, ist naiv. Selbst der als ach so frauenfreundlich gepriesene öffentliche Dienst, ist hier nicht besser. Da werden auch schon mal Mütter aus technischen Bereichen in die Verwaltung versetzt, weil die besser teilzeitgeeignet sei. In der Wissenschaft werden Frauen immer dann vorgeschickt, wenn es gilt etwas zu präsentieren. Damit auch alle sehen, wie frauenfreundlich man ist. Am Ende sind es aber dann doch die männlichen Kollegen, die die festen Stellen und die Professuren besetzen. Die fallen nämlich beim Kinder kriegen in der Regel nicht aus. Selbst wenn man nur ein paar Monate aussetzt, verpasst man doch für mindestens ein Jahr alle relevanten Fachtagungen. Erst, weil man mit Stillkind nicht ohne Begleitung eine Tagung besuchen kann und die Reisekosten für eine Begleitperson privat bezahlen muss und später dann, weil man in den paar Monaten Pause keinen wissenschaftlichen Output erzeugt hat, der es wert wäre präsentiert zu werden.
In der Industrie/Wirtschaft ist das alles noch schwieriger. Frauen in Führungspositionen verlieren ihre Position, sobald das erste Kind kommt. Bewirbt man sich mit Anfang dreißig kinderlos auf eine Stelle, wird man nicht eingestellt, da anzunehmen ist, man fällt demnächst schwanger aus. Bewirbt man sich mit Kindern auf eine Stelle, wird man aussortiert, weil man als Mutter nicht flexibel genug ist. Da in Vorstellungsgesprächen solche Themen in der Regel ausgeklammert werden, kommt man noch nicht mal in die Position, sein Lebensmodell erklären zu können. Meistens wird man einfach nicht mal eingeladen.
In den männerdominierten MINT-Bereichen werden Frauen seltener eingestellt, auch bei nachgewiesener höherer Qualifikation. Natürlich gibt es hier auch andere Beispiele und Frauen, die es trotzdem geschafft haben, aber man sollte nicht die Minderheit als Normalität darstellen, wie es unsere Ex-Familienministerin Schröder getan hat. Sie meinte z.B. eine Frauenquote wäre unnötig, weil  sie und ihre Freundinnen hätten es ja auch alle so geschafft. Es geht aber nicht um die, die es so schaffen, sondern um die, die immer wieder daran scheitern, dass sie das falsche Geschlecht haben.

Ich könnte auch sagen, mir geht es gut. Ich habe einen Job, der uns ernährt, der zwar befristet ist, die Verträge aber immer verlängert werden. Trotzdem sehe ich aber, dass immernoch einiges schief läuft bei der Gleichstellung von Frauen (und Männern) die Familienarbeit leisten. Ich fürchte, dass die starke Abgrenzung von Jungs und Mädchen im Kindesalter, sich später negativ auswirkt. Wie soll man gleichberechtigt mit anderen Menschen zusammenarbeiten, wenn man zeitlebens gelernt hat, dass die anders sind als man selbst. Ich möchte gerne, dass die Menschen als Menschen gesehen werden und nicht als Frauen und Männer. Deshalb bin ich Feministin.

Ich brauch keine Blumen

Malte Welding schrieb in seiner Kolumne neulich über Romantik. Er antwortete auf folgende Aussage:

Mein neuer Freund ist furchtbar unromantisch. Mal ein Abend in einem schicken Restaurant oder so ein Kuschelwochenende in einem Wellness-Hotel – Fehlanzeige. Ich habe ihm schon gesagt, dass ich mich ohne Diamantring nicht verloben werde.(Steffi, 23)

Woher kommt es, dass schicke Restaurant, Candlelight Dinner, Wellnesswochenenden und Diamantringe der Inbegriff von Romantik sind? Sind das nicht vielmehr die Dinge, die man findet, wenn man „Romantische Überraschung für die Freundin“ googelt und die deshalb kaum unpersönlicher sein könnten? Die Romantik steckt doch viel mehr in den kleinen Dingen. Zum Beispiel:

wenn man ohne die Kinder isst und sich dazu mit einem guten Film auf dem Sofa lümmelt wie früher (manchmal so gar mit Kerzenlicht)

wenn man beim Betten frisch beziehen die Bettwäsche bekommt, die man so gerne hat, weil sie sich auf der Haut so gut anfühlt

wenn man jeden Abend eine große Schüssel Salat gemacht bekommt, obwohl der Rest der Familie daran kaum Interesse hat

wenn die Salatportion mit Absicht so groß ist, dass man die Reste zum Mittagessen mit ins Büro nehmen kann

wenn die Wäsche beim Aufhängen auf rechts gedreht wird, weil man es hasst trockene Wäsche umzudrehen

wenn beim rückwärts ausparken ganz selbstverständlich das Radio ausgeschaltet wird, weil einen das ganz schrecklich irritiert

und so viele Kleinigkeiten mehr. Ganz ehrlich: ich brauch keine Blumensträuße und Pralinenschachteln, keine speziellen „Feiertage“, keine Wellnesswochenenden, keinen Champagner mit Erdbeeren. Es sind die Kleinigkeiten, die sagen, ich sehe Dich.

So war das mit dem Essen

Ich schreibe heute etwas über mich, das kaum jemand weiß. Für mich ist der Abstand jetzt groß genug um es zu erzählen. Allerdings möchte ich nicht öffentlich hier darüber disskutieren. Deshalb sind die Kommentare hier geschlossen. Wer mir dazu etwas sagen will, kann das gerne auf einem anderen Wege tun.
Es gab mal eine Zeit, da war ich einer Essstörung deutlich näher, als einem normalen Essverhalten. Das ist jetzt etwas mehr als zehn Jahre her, in den Ferien nach meinem zweiten Semester ging es los. Ich war damals einsam, obwohl ich fast ständig von Menschen umgeben war. Während alle sich scheinbar mühelos im Studentenalltag bewegten, war ich unsicher. Ich hatte zwar Freunde, aber nach einem Jahr Studium war vieles noch sehr oberflächlich und kein Vergleich zu dem, was ich in der Schulzeit an Freundschaft kannte. Ich hatte eine Fernbeziehung und einen besten Freund, der in mich verliebt war. Das hatte ich erst eine Weile ignoriert oder verdrängt. Irgendwann musste ich mich aber damit auseinandersetzen und damit kam dann die Angst, das wackelige Gerüst, dass mich hielt, zu zerstören. Und so blieben Dinge zu lange ungesagt und ich war einsam, obwohl ich nicht alleine war. Dann war eine Hose eng, und ich hab gemacht, was ich früher schon manchmal gemacht habe: kaum gegessen. Das heißt ich habe, nach Möglichkeit, ein bis zwei von drei Mahlzeiten weggelassen. Es war toll, als die ersten Hosen zu groß wurden. Ich dachte mir geht es besser, obwohl sich nichts geändert hatte, außer mein Essverhalten. Es ist niemandem aufgefallen, weil ich normal gegessen habe, wenn andere dabei waren. Niemand hat sich gewundert, dass ich abnehme, weil ich körperlich gearbeitet habe. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie es am Anfang war, aber zu Beginn der Ferien nach dem Wintersemester war ich bei einer Mahlzeit täglich angekommen. Abends habe ich gegessen. Die Vorstellung abends nichts zu essen war schwierig, aber es ging auch, wenn ich, um den Anschein eines normalen Essverhaltens zu wahren, gezwungen war mittags mit Kommilitonen zu essen. Wenn ich an den Wochenenden woanders war, habe ich auch normal gegessen, weniger, aber relativ normal. In den Ferien war es meistens einfacher die Regeln einzuhalten, weil ich meinen Tag allein gestalten konnte und nicht mit anderen essen musste. Die Regeln waren einfach. Grundsätzlich nur eine Mahlzeit am Tag. Es gab Salat und ein Brötchen. Das Brötchen habe ich geviertelt, dann waren es ja quasi vier Brötchen. Wenn ich gearbeitet habe, musste ich manchmal zwischendurch etwas essen. Da galt dann die Regel, dass ich nur drei verschiedene Sachen essen darf. Brötchen und Salat waren schon zwei, also noch ein Joghurt oder einen Apfel. Ich hätte auch noch einen Salat, fünf Brötchen und zehn Äpfel essen „dürfen“, aber nicht noch eine Banane. Absurd, ich weiß.
Ich hab mich nicht gewogen. Ich hatte keine Waage. Ich musste mich also bei Zu- oder Abnahmen auf mein Körpergefühl verlassen. Ich hab mich morgens im Spiegel angeschaut und abends mein Bauchfett betastet, ob es mehr oder weniger geworden ist. Mein damals bester Freund hat mich einmal auf die Waage gezwungen, weil er mir demonstrieren wollte, dass ich ein paar Kilo weniger wiege, als ich vermute. Er hat mir dann auch vorgerechnet, wieviele Kalorien ich im Moment am Tag zu mir nehme. Ich glaube er wollte mir zeigen, dass es zuwenig ist, aber ich war geschockt wie viel es ist. Ich war mir ziemlich sicher, dass es schwer wäre, die Kalorienmenge weiter zu reduzieren, wenn ich weiterhin den Eindruck erwecken wollte normal zu essen und körperlich arbeiten wollte. Da ging es los, dass ich fürs Einkaufen ewig gebraucht habe. Ich habe auf jedem Käse, jeder Wurst und jedem Joghurt die Kalorienmenge verglichen (ich war froh, dass es fast überall aufgedruckt war) und dann das gekauft, was die wenigsten Kalorien hatte, statt dem, was ich am liebsten essen wollte.
In den Ferien vor dem Sommersemester waren wir öfters im Wake-Up-Kino, umsonst mit Frühstück. Als ich dort ein süßes Teilchen und eine Brezel gegessen hatte, saß ich im Kinosessel und dachte, ich muss kotzen, weil mein Magen so ungewohnt voll war. Bei der Arbeit musste ich manchmal zwischendrin anhalten und etwas essen, weil mir schwindlig geworden war. Man könnte sagen, es waren Warnsignale meines Körpers, aber für mich war es der Triumph über meinen Körper. Es ist schwer zu verstehen, aber ich habe meinen Körper und mich nicht als ein Einheit wahrgenommen. Ich hatte das Gefühl, dass irgendein böser Zufall mich in einen schrecklichen Körper gesteckt hatte. Es war mir egal, was ich meinem Körper antat, schließlich tat er mir auch nichts gutes. Ich weiß, dass ich mal versucht habe, es meinem besten Freund zu erklären, aber er hat mich nur verständnislos angeschaut. Eigentlich war er fast der einzige, der irgendwas zu meinem Essverhalten gesagt hat, aber er war auch der einzige, der es mitbekommen hat. Aber er war nicht der richtige, konnte mich nicht davon abbringen. Mein Vater hat mich mal bei einem Besuch gefragt, ob ich den äße. Ich fand es albern, weil wir zum Essen verabredet waren und ich offensichtlich aß. Ich hab mich aber auch gefragt, woher er weiß, dass ich kaum esse. Schließlich war ich vom Untergewicht noch weit entfernt.
Dann passierte, was passieren musste. Es gab ein überfälliges klärendes Gespräch mit meinem besten Freund über seine und meine Gefühle und daraufhin eine beendete Freundschaft. Für ihn war es bestimmt keine schöne Zeit, für mich allerdings auch nicht. Ich war plötzlich allein, hatte das Gefühl sein Leben geht einfach ohne mich weiter. Und ein paar unserer Freunde hat er gleich mitweggenommen. Es war wie schlussmachen ohne zusammen gewesen zu sein. Es tat weh zu sehen, dass er mit meinen Freunden Dinge unternahm, während ich zuhause saß. Zum einen ging es mir schlecht, aber ich öffnete mich neuem, war auf der Suche. Aufgefangen hat mich die Arbeit. Plötzlich lernte ich die Menschen kennen, mit denen ich seit über einem Jahr zusammen arbeitete. Ich habe D. kennengelernt und irgendwie hat er mich erreicht. Als er mir mal sagte, dass ein Joghurt und ein Pfirsich zu wenig für einen Tag Arbeit sind, kam es an. Und so kam es, dass ich wieder angefangen habe mehr zu essen. Ich weiß nicht, ob er es weiß, aber irgendwie hat D. mich gerettet. Bis ich wieder essen konnte ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, hat es allerdings noch vier Jahre gedauert und manchmal hinterher habe ich mir gewünscht, ich könnte mich wieder so hassen fürs Essen.
Jetzt weiß ich, dass das alles nicht richtig war. Meine Gefühle von damals sind mir fremd. Mein Körper und ich verstehen uns ganz gut, wir sind wieder eins. Ich esse gerne und will nicht verzichten. Und deshalb musste ich fast lachen, als mein Vater im Herbst meinte, beim Abnehmen müsse man aufpassen, dass man nicht in eine Magersucht rutscht. Ich weiß es, weil ich es kenne und doch bin ich davon jetzt meilenweit entfernt.