Ungebetene Kritik
von alasKAgirlSep 6
Es ärgert mich, wenn mir Leute ungefragt ihre Meinung und Einschätzung zur Erziehung unseres Sohnes abgeben. Ein anderer Vater erklärte mir gestern, dass unser Sohn am frühen Abend auf dem Spielplatz deshalb soviel Energie hätte, weil er den ganzen Tag in der Wohnung säße. Ich habe ihm widersprochen und mitgeteilt, dass wir dem Wunsch unseres Sohnes raus („graus“) zu gehen, in der Regel nachkommen, egal ob vor- oder nachmittags und auch bei Regen. Er meinte dann nur, dass er den Kleinen noch nie tagsüber auf dem Spielplatz gesehen hätte und hat sich dann umgedreht um sich mit zwei anderen Vätern auf russisch zu unterhalten. Als erstes ärgere ich mich natürlich, dass er sich anmaßt unseren Sohn auf Basis von zwei Stunden Spielplatzbeobachtungen zu beurteilen. Er kennt den Tagesablauf unseres Sohnes nicht, der vormittags ausgiebig seine verschiedenen Spielsachen bespielt, trommelt, Bücher liest und die Katzen ärgert bespaßt. In der Regel äußert er frühestens zur Mittagszeit, wenn auch langsam sein Mittagsschlaf ansteht, das Bedürfnis nach draußen zu gehen. Wie schon an anderer Stelle erwähnt, liegt unser Stammspielplatz komplett in der Sonne. An sonnigen Sommertagen ist es also schlicht nicht möglich, sich dort über mittag aufzuhalten. Und solange der Kleine dann auch mit zwei Schalen Wasser auf dem Balkon zufrieden ist, muss man keinen Sonnenstich riskieren. Andere Kinder trifft man dort um die Uhrzeit ohnehin nicht. Außerdem, und wer unseren Sohn besser kennt, wird das bestätigen können, kann der Kleine problemlos den ganzen Tag durch die Gegend rennen und trotzdem abends um acht noch keinerlei Ermüdungserscheinungen zeigen.
Als nächstes frage ich mich dann, wie er vom anderen Ende des Wohngebietes aus sieht, wer sich wann auf dem Spielplatz aufhält. Oder beruht seine Einschätzung darauf, dass er nachmittags um drei (wenn der Kleine übrigens immer schläft) dort vorbeiläuft und uns nicht sieht. Ist das eine repräsentative Stichprobe an Beobachtungen, die er gesammelt hat? Wir haben von unserer Wohnung aus Spielplatzblick und können also sehen, dass er selbst mit seiner Tochter nie vor fünf auftaucht. Wieso kritisiert dieser Mann unseren Tagesablauf, der für unsere Familie ganz hervorragend funktioniert? Will er demonstrieren, dass er der bessere Papa ist, weil er „jeden Tag“ mit seiner Tochter auf dem Spielplatz ist? Aber nicht falsch verstehen, er spielt da nicht mit seiner Tochter, er beaufsichtigt sie nur von Weitem. Da frag ich mich dann, warum er seine dreijährige Tochter nie mitbringt. Die war wirklich noch kein einziges Mal auf dem Spielplatz. Wenn man die große Tochter fragt, warum die kleine Schwester nie mitkommt, sind die Antworten immer im Stil von „Mama hatte keine Lust mitzukommen“ und „Papa will sie nicht mitnehmen, weil die dann eh nur nervt und quengelt.“ Ich vermute ja, dass es ihm mit einem Kleinkind zu anstrengend auf dem Spielplatz ist. Da muss man schließlich ständig aufpassen. Sein Argument wäre vermutlich, dass das Kind ja in den Kindergarten geht und deshalb keine weitere Beschäftigung mehr braucht am Tag. „Jeden Tag“ habe ich in Anführungszeichen gesetzt, weil er natürlich nur bei gutem Wetter jeden Tag da ist. Bei Regen, Schnee und Wind sind wir in der Regel alleine auf dem Spielplatz. Ich möchte mal behaupten, dass wir zu den regelmäßigsten Spielplatzbesuchern gehören, was auch durch des Kleinen unglaubliche Sonnenbräune bestätigt wird. Die etwas älteren Jungs in unserem Wohngebiet, die teilweise auch noch nicht im Kindergarten sind, sieht man nur sehr sporadisch. Zwei Kinder, die letzten Sommer täglich mit ihrem Au-Pair auf dem Spielplatz waren, sind dort nicht mehr anzutreffen, seit das kleinere in den Kindergarten geht. Auch nicht am Wochenende. In unserem Haus wohnt ein kleines Mädchen, die war noch nie auf dem Spielplatz. Uns vorzuwerfen, wir würden zu wenig mit unserem Sohn rausgehen, ist wirklich völlig daneben. Zumal wir auch noch jeden Weg zum Einkaufen, in die Stadt, zum Flomarkt zu Fuß mit Kinderwagen gehen, was eine zusätzliche Ladung frischer Luft bedeutet.
Was will uns der gute Mann mit seiner Kritik also sagen. Ist es ein Versuch sich in ein besseres Licht zu rücken? Ist es eine Kritik an D., weil er unserem Sohn die Mittagssonne vorenthält? Ist es eine Kritik an mir, weil ich arbeiten gehe und das Kind bei meinem Mann lasse, statt es in die kompetenten Hände von Erzieherinnen zu geben (weil Männer ja nicht in der Lage sind ein Kind den ganzen Tag zu beschäftigen, oder wie)? Oder ist es der krampfhafte Versuch in unserer Familie irgendetwas zu finden, was falsch läuft, weil er neulich erfahren hat, dass unser Kleiner kein kleiner Vierjähriger, sondern ein großer Zweijähriger ist und ihm die Entwicklungsunterschiede seiner Tochter zu unserem Kleinen in einem anderen Licht erscheinen? D. vermutet das erste, ich tippe auf das letzte.
4 Kommentare
Kommentar von Frood am 7. September 2011 um 15:34
Was kümmerts euch denn, was irgendein Typ auf dem Spielplatz so quatscht? Aber ihr habt ja offenbar reichlich drüber nachgegrübelt. Vielleicht wohnt ihr doch schon zu lange in Schwaben 😉
Kommentar von AnJu am 7. September 2011 um 16:35
Ich glaube das liegt nicht an Schwaben, sondern am Mütterproblem. Das Mütterproblem ist, dass man sich als Mutter (oder als Eltern überhaupt) permanent fragt, ob man auch alles richtig macht, weil man ständig widersprüchliche Informationen kriegt. Da heißt es, man soll mindestens 6 Monate voll stillen und dann aber doch lieber schon ab dem 5. Monat zufüttern. Man soll auf glutenhaltige Lebensmittel im ersten Lebensjahr verzichten und im nächsten Jahr heißt es, dass es doch nichts bringt, bestimmte Lebensmittel wegzulassen. Es gibt unzählige Schnullerformen, die alle damit werben die kieferfreundlichste zu sein. Die Eltern, die ihre Kinder um halb acht ins Bett stecken, fragen sich, ob sie ihren Kindern damit etwas vorenthalten, Eltern, die ihre Kinder nach neun ins Bett bringen, fragen sich, ob sie ihren Kindern damit schaden. Eltern, die ihre Kinder zuhause betreuen fragen sich, ob die Kinder sich vielleicht langweilen oder Soziopathen werden, Eltern, die arbeiten gehen, fragen sich, ob die Fremdbetreuung bleibende Schäden hinterlassen wird. Wie Du siehst ist man dauerverunsichert. Geäußerte Kritik von Außenstehenden ist immer ein Angriff und sofort fährt man alles an Verteidigung auf, was man finden kann. Leider ist es da schwer die „Was kümmert’s micht“-Haltung zu behalten.
Kommentar von Frau aus Lö am 7. September 2011 um 21:23
So glücklich und gesund wie Euer A. auf mich als „Aussenstehende“ wirkt könnt Ihr gar nicht soviel falsch machen. Nur nicht verunsichern lassen!
Kommentar von Kirsten am 10. September 2011 um 23:37
Mehr Kinder kriegen, dann wird man selber sicherer und das „mir egal“ kommt von ganz alleine 🙂
Ansonsten: Dein Mann hat ja anscheinend eifrig mitdiskutiert. An der Arbeit hab ich inzwischen den Eindruck, Männer im Allgemeinen beherrschen das besser, Dinge einmal zu sagen/zu hören und dann einfach nicht mehr dran zu denken, während das bei Frauen noch x-mal auf Konnotationen, „wie könnte das gemeint sein“ etc. durchgekaut wird. Und in dem Fall find ich die „männliche“ Art, damit umzugehen, irgendwie entspannender. Ich arbeite noch dran!
Aber mal ehrlich: Wir Mittelschichtmütter, wir studierten (?) Mütter, wir machen uns sooo viele Gedanken, dabei betreffen uns diese ganzen „tun Sie dies, damit es Ihrem Kind gut geht“ Ratschläge gar nicht (wir sind es nur, die sie lesen und peinlichst beachten wollen). Das betrifft die Eltern, die sich eh einen Sch… darum kümmern, wie es ihren Kindern geht und die solche Ratschläge im Zweifel gar nicht wahrnehmen. Also alles gut. Egal wie oft Dein Kind rausgeht, Fernsehen schaut, was es ist etc. Es ist gut dran und gehört auf jeden Fall zum oberen Drittel, was Förderung, Lebensqualität etc. angeht!
Gruß
(die heute sehr besserwisserische)
Kirsten