Lebensentwürfe
von alasKAgirlApr 4
Eine sehr junge Kollegin zieht gerade von zuhause aus und mit ihrem Freund zusammen. Dreizimmerwohnung, Wohnzimmer, Schlafzimmer, Büro (so heißt hier in Schwaben das Arbeitszimmer. Die Betonung liegt übrigens auf der ersten Silbe.). Ich frage immer mal wieder nach, wie der Umzug läuft. Erst wurde die Küche geplant und bestellt. Nun warten sie noch auf das Sofa, das irgendwann in den nächsten Wochen geliefert werden soll. Ich staune darüber, wie unterschiedlich Leben verlaufen. Als ich so alt war wie die Kollegin, bin ich gerade aus meinem Zwölfquadratmeterzimmer aus einer 7er-WG in ein größeres Zimmer in einer 3er-WG vom einen Ende ans andere Ende der Stadt gezogen. Ich hatte noch etwa drei Jahre Studium vor mir. Die meisten meiner Kommilitonen lebten in WGs oder Wohnheimen. Zusammenlebende Pärchen mit klassischer Wohnungaufteilung (Wohn-, Schlaf-, Arbeitszimmer) waren eher die Ausnahme. Dort haben wir dann mit leuchtenden Augen die IKEA-Selbsteinbauküchen bestaunt, standen doch in den WG-Küchen meist irgendwo günstig aufgetriebene, zwanzig Jahre alte Elektroherde kombiniert mit Baumarkthängeschränken und -regalen oder selbst gebauten Provisorien aus Möbelschätzen aus elterlichen Kellern. (Ich kann mich noch erinnern, wie wir zu dritt ganz versunken vor den versenkbaren, von innen beleuchteten Drehknöpfen eines Herdes standen. Davon träumen Studenten: sich einen richtigen Herd leisten zu können.) Spülmaschinen waren der absolute Luxus und der Traum jeder WG. Ebenso war es mit Waschmaschinen. Meine erste WG war ohne Waschmaschine, in der zweiten stand eine 30 Jahre alte Maschine, die irgendwann zu einem Wasserschaden im Laden untendrunter führte. Später hatten wir eine, an der die Temperatur mit der Zange einzustellen war und dann wieder eine vom Vormieter übernommene, die irgendwann das Heizen aufgab. Neue Sofas gab es unter Studenten auch so gut wie nie. WGs mit Sofas in einem separaten Wohnzimmer waren sehr cool. Die Sofas waren meistens über drei Ecken von der Oma eines Bekannten oder ganz einfach vom Sperrmüll organisiert. So sahen sie auch aus. Wie aus einem Omawohnzimmer. Und trotzdem unglaubliche Schätze für Studenten. Nie wäre eine WG auf die Idee gekommen eine Sofa im Möbelhaus zu bestellen. Das höchste der Gefühle war hier und da mal ein neues IKEA-Sofa.
So unterschiedlich können Lebensentwürfe sein. Während man als Student höchstens für die nächsten drei Jahre plant, plant meine Kollegin so jung schon fürs Leben. Nun frage ich mich, ob meine junge Kollegin was versäumt, weil sie nie arm und jung gewesen sein wird? Verpasst sie was, weil sie aus der elterlichen Wohnung direkt in eine eigene gutbürgerliche Wohnung zieht, ohne den Umweg über einzige Zimmer in ungeputzen WGs zu machen? Irgendwie glaube ich ja schon, obwohl sie es wohl nie vermissen wird.
7 Kommentare
Kommentar von isnochys am 4. April 2011 um 11:00
Ich würde die Studentenzeit übelst vermissen.
(Keine meiner beiden Studentenzeiten:)))
Aber auch nur, weil ich sie eben erlebt habe und eine Menge lustiger Leute kennenlernen durfte.
Aber mit jemanden zusammen, in eine WSB, Wohn, Schlafzimme, Büro Wohnung, könnte ich mir auch nicht vorstellen.
Wenn, dann brauche ich mindestens ein Zimmer für mich alleine.
Und selbst ich in meinem Alter kann noch nicht richtig planen..mit Anfang 20 sich schon entscheiden, wie man die nächsten 50 Jahre Leben will..unvorstellbar
Kommentar von AnJu am 4. April 2011 um 12:00
Irgendwie scheinen die jungen Leute, die eine Ausbildung machen anders zu ticken.
Kommentar von isnochys am 4. April 2011 um 12:13
Gibt es eine Studie, wer denn von der Quarter-/Midlifecrisis gepackt wird?
Ehemalige Auszubildende, oder Studenten?
Was ich nicht kenne kann ich ja eigentlich auch nicht vermissen.
Kommentar von AnJu am 4. April 2011 um 12:39
Ich kenn keine solche Studie. Wäre mal interessant zu wissen.
Kommentar von Frood am 5. April 2011 um 22:38
Also ich habe ja erst eine Ausbildung gemacht und bin danach studieren gegeangen. Ich habe schon während der Ausbildung das Studium vermisst. Für mich war klar, dass es das noch nicht gewesen sein kann. Insofern stimmt die These schonmal nicht, dass man nicht vermissen kann, was man nicht erlebt hat.
Kommentar von AnJu am 6. April 2011 um 09:43
Du kanntest aber auch viele Studenten und hast gesehen, was Du verpasst.
Kommentar von Lena am 20. April 2011 um 14:21
Ich bin ja auch noch während des Studiums mit meinem Freund zusammengezogen (aus der WG). Und wir vermissen nichts.
Aber ich finde es wichtig diese WG Erfahrung gemacht zu haben. Ich denke, viele Leute werden dadurch selbstständiger und man sammelt dadurch eben Erfahrung. Ich konnte es nie verstehen, wie man während des gesamten Studiums bei den Eltern leben kann. Mir wäre das tierisch auf den Keks gegangen (mal davon abgesehen, dass es gar nicht gegangen wäre, wegen der Entfernung).