Eins, zwei, drei und vorbei?
von alasKAgirlAug 31
Vor einiger Zeit habe ich eine Podiumsdiskussion besucht, bei der es um Vereinbarkeit oder Kind und Karriere ging. Eingeladen waren drei Mütter, die ambitioniert in leitenden oder personalführenden Positionen arbeiten. Zwei hatten je ein Kind, die dritte war Dreifachmutter. Sie berichteten, wie das in ihrem Alltag abläuft, wie Vorgesetzte und Mitarbeiter damit umgehen, dass sie pünktlich gehen müssen, wer die Kinder wann wohin bringt, usw. Ich fand es ganz interessant. Das Fazit war eigentlich: der Alltag ist nicht das Problem, die Ausnahmen (Kind krank, kurzfristige Abendtermine,…) stellen die Herausforderung dar. Ich fragte mich vor allem: Wo sind eigentlich die Karrierefrauen mit mehr als einem Kind? Wollen die nicht oder können die nicht? Ist aus „Kind oder Karriere“ ein „Kinder oder Karriere“ geworden, da man Karriere und ein Kind inzwischen ganz gut hinkriegt?
Schaut man sich die Lebensläufe der drei also genauer an, dann sah es bei den Einkindmüttern so aus, dass sie erst spät Mütter wurden und die Karriere bereits vorher ins Rollen gebracht hatten. Wenn man sich Ruf und Position erst mal erarbeitet hat, kann man mal kurz ein Kind und ein Jahr Elternzeit einschieben. Die Mutter mit den drei Kindern hatte zwei Kinder bereits im Studium bekommen und danach die Karriere gestartet. Das dritte Kind war dann eine späte Überraschung. Im Prinzip musste auch sie also nur ein kleines Kind mit der Karriere vereinbaren. (Ich weiß: kleine Kinder, kleine Sorgen, große Kinder usw. Aber wenn z.B. ein Teenager krank ist, kann man den in der Regel auch alleine zuhause lassen.)
Zweifellos haben die Frauen alle einen stressigen Alltag und zweifellos ist es auch mit nur einem Kind anstrengend. Allerdings wird es ja immer dann schwierig, wenn der Alltag gestört wird. Eine Mutter erzählte, wie sie eine Woche Krankheit des Kindes überbrückt haben ohne zu viel Wichtiges bei der Arbeit zu versäumen. Ich dachte zurück an den letzten Winter: Anfang Dezember war der Schwimmkurs von Sohn1 beendet. Ich hatte mir vorgenommen, dass wir weiterhin regelmäßig ins Schwimmbad gehen. In der folgenden Woche hatte Sohn1 Mittelohrentzündung und dann im Wechsel immer einer der drei Söhne irgendeine Erkältung. Das nächste Mal im Schwimmbad waren wir dann im April. Da ginge es also nicht darum, eine Woche kindkrank zu überbrücken, sondern vier Monate kindkrank. Und eigentlich war dieser Winter gar nicht so schlimm. Ich erinnere mich noch an Winter, in denen wir gefühlt jede Woche mit irgendwem beim Kinderarzt saßen.
Die andere erzählte, dass die Nachbarin oder die Sekretärin auch schon mal bei kurzfristigen Terminen die Kinderbetreuung übernommen haben. Sowas ist eben mit einem Kind noch relativ unproblematisch. Aber wer nimmt den spontan und kurzfristig gleich drei?
Und dann die Kindertermine: Da sind dann im Dezember/Juli Weihnachtsfeiern/Sommerfeste von Kindergarten, Schule und Nachmittagsbetreuung. Im Oktober und Februar ist für jedes Kind ein Elternabend. Alle Kinder werden zu Geburstagen eingeladen, zu denen sie hingebracht und abgeholt werden müssen und Geschenke brauchen. Alle Kinder haben irgendwann feste Termine (Sport,…), zu denen irgendwer den Fahrdienst machen muss.
Und da sind ja auch noch die Nächte. Klar schlafen die Kinder theoretisch irgendwann durch. Praktisch gibt es aber auch jetzt noch Nächte, in denen wir mehrfach aufstehen („Ich muss aufs Klo.“ „Räbäh, Mama!“, „Ich hab was schreckliches geträumt!“, „Ich hab Durst!“, „Mama, kuscheln!“, „Mein Bett ist nass.“, „Ich brauch Nasenspray.“, „ICH KANN NICHT MEHR EINSCHLAFEN!!!“, usw.) Auf jeden Fall tragen sie dazu bei, das ich inzwischen gar nicht mehr versuche Sachen noch „gschwind abends“ fertig zu machen. Abends bin ich nämlich HUNDEMÜDE!
Der Alltag mit mehreren Kindern ist also ohnehin logistisch schon anspruchsvoll und manchmal hat man tatsächlich das Gefühl, er ist eine einzige Ausnahmesituation. Ich kenne hier, in Schwaben auf dem Land, eigentlich keine Mütter (Alleinerziehende ausgenommen) mit mehreren Kindern , die überhaupt Vollzeit arbeiten, geschweige denn welche, die Karriere machen. Gibt es die nicht? Die Karrierefrauen mit mehreren Kindern? Die Mehrfachmütter, die Karriere machen? Ist Vereinbarkeit nur mit einem Kind möglich? Bitte zeigt mir Gegenbeispiele!
Zusatz: Immerhin bleibt positiv zu bemerken, dass Vereinbarkeit von einem Kind mit ambitionierter Arbeit, inzwischen wohl langsam akzeptiert wird. Vielleicht schaffen wir es ja, dass das in Zukunft auch mit mehreren Kindern geht.
Noch ein Zusatz: Ich sehe mich selbst bei der Diskussion etwas außen vor, da ich ja den Luxus genieße, dass D. die Erziehungsarbeit allein übernimmt, wenn ich arbeite. Kranke Kinder hindern mich so meistens nicht am Arbeiten und Auswärtstermine sind auch möglich.
Ein Kommentar
Kommentar von enitsirhc am 9. September 2016 um 12:23
Zur Karriere bzw. Beruf mit mehr als einem Kinder kann ich noch nicht wirklich qualifiziert was sagen, das Zweite ist noch auf dem Weg. Die „Problematik“ des weiteren beruflichen Weges mit dann 2 Kindern ist aber natürlich schon präsent und ich denke viel darüber nach.
Ich glaube, dass dein Zusatz der Knackpunkt ist: es kommt auf die Konstellation der Erziehungsberechtigten und der Verteilung der Erziehungsarbeit an. Eine Person, die Karriere macht und eine, die die Erziehungsarbeit übernimmt, ist eine erfolgreiche Kombination für die Karriere – auch bei mehr als einem Kind und ihr lebt das ja auch erfolgreich. Bei euch ist die Rollenverteilung „anders herum“ als klassischerweise und du hattest ja schon darüber geschrieben, dass Ihr die Care-Arbeit fair aufteilt, daher kann man eure Konstellation sicher nicht mit z.B. klassischen Manager-Hausfrau Aufteilungen in einen Topf werfen – aber vielleicht, wie du im Zusatz schreibst, hast du ein paar Vorteile im Beruf durch das Backup von D. (insbesondere in den Ausnahmesituationen, die du auch schilderst).
Als unser Kind 5 Monate alt war, fingen wir beide wieder an zu arbeiten, seit es 1,5 Jahre alt ist, arbeiten wir beide Vollzeit (plus wissenschaftsüblichen Überstunden). Das funktioniert gerade so und basiert auf einer Menge Selbstausbeutung und Glück (wenig Krankheitsausfall, sehr kooperativer Chef, der für uns beide Chef ist, usw.) und dazu kommt Dickköpfigkeit, weil ich es verdammt noch mal nicht einsehe, dass Kind und Beruf(e) nicht zusammen gehen sollen.
Jetzt kommt bald Nummer 2 und unser beider aktueller Erschöpfungsstand sagt, dass wir die 2* 100% nicht so bald wieder erreichen möchten oder auch können. Wir warten ab, wie es sich entwickelt und hoffen, wir kriegen alles gewuppt. Dass eine_r zu Hause bleibt möchten wir beide nicht. Am allerliebsten wäre mir das Modell 80% – 80%, und hier kommt die Aussage, die ich ja von anderen auch immer hasse: uns ist noch nicht klar, wie und ob das mit (zukünftigen) Arbeitgebern und einer möglichen (wissenschaftlichen) Karriere funktionieren kann.
Fazit: zumindest mit 100% – 100% ist es heftig mit 1 Kind (ich kenn kaum noch Paare, die das machen, mit mehr als 1 Kind niemanden) und ich zweifle stark an der Machbarkeit mit mehr als 1 Kind. Und ich glaube/befürchte, frau rutscht sehr viel schneller in die Teilzeitfalle, als frau denken möchte und bleibt dann da hängen – nix mit Karriere und nix mit wieder auf 100% kommen. Aber das werde ich mal ausprobieren und vertraue (noch) auf meinen Dickkopf.
Alles Gute!
enitsirhc