Die Mütterdiskussion
von alasKAgirlJun 17
Im Moment wird in der Muttiblogosphäre ja mal wieder die Grundsatzdiskussion Vollzeitmama vs. Karrieremama geführt. Ich bin immer wieder erstaunt, wie wenig sachlich diese Diskussion geführt wird. Die Vollzeitmamas wettern gegen die Mütter, die ihre Kinder in „Einrichtungen“ abgeben um sich selbst zu verwirklichen und die Karrieremamas keifen die Vollzeitmamas an, dass sie ja nur zuhause die Füße hochlegen und ihren Kinder die Möglichkeit nehmen mit anderen Kindern in Kontakt zu kommen. Jede argumentiert nur vom eigenen Standpunkt aus, ohne mal über den Tellerrand zu schauen. Da wird aus der Abneigung des eigenen Kindes gegen die Kita eine allgemeine seelische Schädigung von Kindern in der Kita gefolgert. Und wer das Gegenteil behauptet, der redet es sich nur schön. Tatsächlich sind aber nicht alle ehemaligen Kitakinder der Ex-DDR seelische Wracks. Genausowenig wie die zuhause erzogenen Kinder alle noch mit 40 zuhause bei Mami leben. Die ganze Diskussion ist von der eigenen Unfehlbarkeit und ein bisschen auch von Neid geprägt. Die Mütter, die an einem sonnigen Tag im Büro sitzen, wünschen sich vielleicht auch, jetzt einfach mit den Kindern im Garten sitzen zu können und den Haushalt auf den Abend zu verschieben. Und an langen Regentagen mit quengeligen und/oder kranken Kinder, wünscht sich so manche Hausfrau vielleicht, sie könnte jetzt auch im Büro mit den Kollegen gemütlich einen Kaffee trinken. Aber, weil keine auch nur den geringsten Zweifel an ihrem eigenen Lebensmodell aufkommen lassen möchte, sagt sie zur anderen statt „Du hast es gut“ einfach „Du machst es Dir einfach“. Und den Satz mit der Selbstverwirklichung hasse ich am meisten. Warum verwirklichen sich nur die Frauen selbst, die arbeiten gehen. Genauso kann man den Vollzeitmamas vorwerfen, sie würden sich als Hausfrau und Mutter selbst verwirklichen, auf Kosten der Gesellschaft, unserer Rente und wer weiß was noch. Und nur mal so, ich fühl mich selbst schon jetzt ganz schön wirklich, zuhause auf dem Sofa wie bei der Arbeit vorm PC. Was brauch ich da noch an Selbstverwirklichung? Und wenn, dann mach ich eben ein Jodeldiplom. Vielleicht sollten wir alle einfach akzeptieren, dass alle Familien unterschiedlich sind. Es gibt keine Idealfamilie und nicht jedes Lebensmodell passt für jeden. Nicht jedem Mensch sind die gleichen Dinge wichtig und jeder setzt seine Prioritäten anders. Vielleicht sollte mal aus „Ich mach das so und jeder sollte es so machen“ „Ich mach das so. Wie machst Du das?“ werden. Und vielleicht sollte man auch nicht hinter jeder Frage einen versteckten Vorwurf vermuten. So kann die Frage „Gehst Du dann wieder arbeiten, wenn Dein Kind in den Kindergarten geht?“ ebenso wie die Frage „Kommt Dein Kind in der Kita klar? Vermisst es Dich nicht?“ einfach nur aus Interesse gestellt worden sein und stellt keine Kritik am eigenen Lebensmodell dar. Und deswegen verlangen die Fragen auch keine Rechtfertigung.
17 Kommentare
Kommentar von Antje am 17. Juni 2011 um 14:32
Man darf das nicht so schwarz/weiß sehen:
Man kann nämlich sowohl von den „Karrieremamas“ als auch den „Vollzeitmamas“ Unverständnis ernten, indem man „schon“ nach einem Jahr Teilzeit arbeiten geht und dann die Stunden nicht mehr erhöhen will.
Vielleicht sollte man statt Mütterblogs einfach Kinderblogs machen, die finden es doch gut wie es ist.
Ach noch alles Gute nachträglich an den kleinen Großen
Kommentar von AnJu am 17. Juni 2011 um 14:57
Kinderblogs sind eine gute Idee 🙂 Da muss der Kleine mal schnell tippen lernen.
Natürlich erntest Du Unverständnis, wenn Du Dich weder für Job, noch für Familie 100% aufopfern willst. Stell Dir vor, am Ende bist Du dabei völlig entspannt und weder gehetzt noch genervt. Wo kämen wir denn da hin… 😉
Kommentar von Niky am 17. Juni 2011 um 19:07
Es stimmt schon. Die Leute verallgemeinern einfach zu viel. Dabei übersehen sie, dass Menschen in allen möglichen und unmöglichen Situationen und Settings ein zufriedenes Leben führen können und die Kinder dabei ebenso gut heranwachsen. Vermutlich machen eben diese zufriedenen Eltern zufriedene Kinder, ganz gleich wie oft sie sich sehen.
Kommentar von Sylvia am 18. Juni 2011 um 19:41
Hm. Ich glaube, die Anerkennung einer anderen Lebenssituation ist vor allem deshalb so schwierig, weil jede Mutter (und sicher die meisten Väter) das beste für ihr Kind möchte. Wenn nun jemand ganz anders lebt, fällt es ab und zu schwer zu verstehen und/oder auch zu glauben, dass dessen Kinder auch glücklich sind.
Dazu kommt noch die persönliche Prägung in der Kindheit und in der Sozialisation. Mir als Westfrau ist es nach wie vor vollkommen unverständlich, wie man eine Fremdbetreuung schon mit wenigen Wochen als vollkommen normal empfinden kann. Das ist eine emotionale Sache, ich kann anerkennen, dass es klappt, aber ich kann es nicht FÜHLEN, weil ich es nicht kenne, weil es hier (Schwabenland *g*) bei der Geburt meiner Großen im Jahr 1995 schon ein Skandal war, Dreijährige regelmäßig in den Kindergarten zu schicken, weil meine Kinder gar nicht alle gruppenkompatibel sind und weil es früher nicht mal ansatzweise eine Kleinkindbetreuung gab.
Wenn man dann noch zugesteht, dass bei jedem Lebensmodell manchmal Neidphasen vorkommen, dann ist klar, dass es niemals eine wirkliche gegenseitige Anerkennung geben wird. Leider *seufz*.
Kommentar von Antje am 19. Juni 2011 um 08:40
Ich habe auch nicht verstanden, als jemand mir sagte, mein Kind geht seit es 3 Monate ist in die Kita, aber dann dachte ich: Was kann man bei den Kleinen schon falsch machen? Die liegen rum, trinken, schlafen viel und freuen sich über Alles was sie sehen.
Kommentar von sevenjobs am 20. Juni 2011 um 10:13
Es gibt keine allgemeingültige Lösung für diese Frage. Und das finde ich auch gut. Was es aber gibt ist eine Verantwortung für die Kinder. Selbstverwirklichung ist ja schön und gut, aber auf wessen Kosten? Die Kinderärzte und Kinderpsychiater halten mit ihren Beobachtungen von kranken, depressiven, überarbeiteten Kindern nicht hinter dem Berg, sprechen die Belastung von Kindern in Hort und tausenden von Hobbys + Schulbelastung offen an. Aber noch will es niemand hören, weil eine Entschleunigung der Kinder auch eine Entschleunigung des eigenen Lebens bedeuten würde. Menschen mit Familie können sich m.E. nicht egoistisch selbst verwirklichen, denn sie hängen immer an den Familienseilen mit all ihren Verantwortungen. Und leider gleiten dann viele ins ‚SichFrohReden‘ ab und sind uneherlich sich selbst und anderen gegenüber. Ein unendliches Thema, das interessanter Weise so ausgeprägt nur auf Mamablogs zu lesen ist. Väter gehen einfach arbeiten oder bleiben mal teilzeit zu Hause, einfach so, ohne viel Spektakel. Geht auch 🙂
Kommentar von AnJu am 20. Juni 2011 um 10:35
@sevenjobs: Aber was ist sie denn, diese „Selbstverwirklichung“? Warum sind arbeitende Väter die Ernährer und arbeitende Mütter verwirklichen sich selbst? Ist es denn die natürliche Bestimmung der Frau zuhause zu bleiben und wenn sie arbeiten geht, tut sie das nur aus eigenem Egoismus? Ich gehe arbeiten in erster Linie um Geld zu verdienen. Ja, mein Job macht mir auch Spaß, aber ist er deshalb eine Selbstverwirklichung?
Natürlich ist ein Hin- und Hergehetze für Kinder nicht gut, aber die Belastungen durch Schule und Hobbies entstehen ja nicht dadurch, dass die Mütter arbeiten gehen, sondern vor allem auch dadurch, dass Kinder und Eltern enormem Druck ausgesetzt sind. Die Kinder, weil sie unbedingt gute Schüler sein müssen, weil sie sonst in der Gosse enden und die Eltern, weil sie gezwungen sind, ihre Kinder in jeder Hinsicht zu fördern. Da muss es dann eben noch der Musikunterricht sein, und Sport, weil Bewegung wichtig ist und was ehrenamtliches für den Lebenslauft, usw.. Bestimmt gibt es Eltern, die über ihr eigenes Leben und ihre eigenen Ansprüche das Glücklichsein der Kinder vergessen, aber ich denke die sind wohl eher in der Minderheit.
Kommentar von sevenjobs am 20. Juni 2011 um 11:07
Ich erlebe viele Eltern, die ihre Kinder zu diversen Aktivitäten treiben, weil sie sich selber damit brüsten wollen.
Aber ein Kind, das nach dem Hort noch zum Hockey geht nochmal, böse gesagt, 2 Stunden unterwegs, was für die arbeitende Mutter wiederum zwei Stunden mehr Zeit bedeutet. Und wer erzeugt denn den angeblichen Druck, dem Kinder und Eltern ausgesetzt sind? Sind das nicht die Eltern selber?
Jeder will nur das Beste für die Kinder, das würde ich auch niemals bestreiten, das ist aber allerdings auch ein Totschlagargument.
Ich weiß nicht, was die natürliche Bestimmung der Frau ist, aber da Frauen immer wieder und wieder und wieder über Familie und Beruf und Hausfrau und Doppelbelastung sprechen, scheint die Kinderbetreuung und das Arbeiten ein Frauenthema zu sein.
„Doppelbelastung“ sagen selbst Mütter, nur selten höre ich, dass Frauen ihr spannendes Leben als ‚Doppelfreude‘ bezeichnen. Hört sich für mich alles nicht besonders glücklich und entspannt und in sich ruhend an…
Kommentar von AnJu am 20. Juni 2011 um 11:54
Warum haben bereits Dritt- und Viertklässler Angst vor Klassenarbeiten und lernen darauf? Weil die Kinder lernen, dass man mit einem Hauptschulabschluss keinen Job bekommt und ein Realschulabschluss auch fast nur ein Hauptschulabschluss ist. Wer also mit 10 keine Gymnasialempfehlung bekommt, dessen Weg in die Unterschicht ist vorgezeichnet. Dass auch ehemalige Hauptschüler gute und sichere Jobs haben können, und dass es auch Möglichkeiten gibt, Bildungsabschlüsse nachzuholen, wird nie thematisiert. Der Druck kommt vielleicht auch von den Eltern, aber er entsteht auch durch andere Erwachsene, durchs Fernsehen und durch die Kinder untereinander.
Wenn das Kind nach dem Hort gerne zum Hockey geht, spricht da doch nichts dagegen. Weißt Du, ob das Kind das als stressig empfindet? Weißt Du, ob die arbeitende Mutter die Zeit nicht lieber mit ihrem Kind verbringen würde, aber ihr Kind das Hockey vorzieht?
Dass Frauen das Thema immer wieder aufgreifen, liegt daran, dass sie auch immer wieder darauf angesprochen werden. Von Doppelbelastung würde ich nie sprechen (ich habe aber auch einen Hausmann zuhause, was vielleicht vieles einfacher macht). Wer es als Belastung empfindet, der sollte darüber nachdenken was zu ändern.
Kommentar von sevenjobs am 20. Juni 2011 um 15:42
Ja, ein riesen Thema 🙂
Vielleicht erleben wir ein ganz besondere Auswahl von Kindern, aber eigentlich ist unser Stichprobe mit vier Kindern * Freunde doch relativ groß :-). Klar gibt es Kinder, die sich wünschen Hockey zu spielen oder auch ein instrument von sich aus erlernen möchten. Aber ich habe noch nie Kinder erlebt, die sich freiwillig jeden Tag in der Woche mit Terminen vollklotzen. Und ich bezweifle stark, dass unsere eigenen selbstbewußten Kinder später Jobprobleme haben, weil sie weder Ballett noch chinesisch können. Da sind ganz andere Kriterien ausschlaggebend. Und das in der Grundschule bereits ein Druck unter den Kindern entsteht, das bezweifle ich, außer es wird den Kindern eingeredet. Esgibt auch KInder, die bereits inder Grundschule etwas gegen Türken haben, da bezweifle ich auch stark, dass das Kind sich das selbr ausgedacht hat….
Kommentar von AnJu am 20. Juni 2011 um 16:53
Vielleicht ist das mit den Grundschülern auch ein BaWü-spezifisches Problem. Ich habe es von meinem Kollege, der Kinder in der vierten Klasse hat gehört, ebenso wie von einer Viertklässlerleherin. In BaWü ist die Schulempfehlung des Lehrers bindet. D.h., wer nicht mit einem Schnitt von 2,5 (glaube ich) die Grundschule verlässt, darf kein Gymnasium besuchen. Ein Freund von mir ist mit einer 5 in deutsch (nicht erkannte Legasthenie) auf die Hauptschule gekommen. Das hat ihn dann ein Jahr gekostet auf dem Weg zur Physikpromotion.
Kommentar von AnJu am 20. Juni 2011 um 16:54
Achso, ich hab mir früher die Woche immer sehr voll mit Terminen geklotzt: Musikschule, evangelische Jugend, Stammtisch, Turnverein,… Ganz freiwillig.
Kommentar von sevenjobs am 20. Juni 2011 um 17:16
Tja, dann hättest Du nie bei uns am Eßtisch gesessen und mir erzählt wie toll es sei, dass Du heute bei uns AUSSPANNTAG hättest 🙂
Kommentar von Kirsten am 1. Juli 2011 um 00:25
Ich würd mir wünschen, dass diese ganzen Termine nach Schule und Hort nicht nötig sind, weil in Schule, Ganztagsschule, Hort, so tolle Dinge (Instrumente, Sport) angeboten werden, dass damit alle möglichen Interessen- und Förderungslagen abgedeckt werden. Aber davon muss ich wohl noch eine ganze Weile weiterträumen, denn auch die Ganztagsschulen, die hier (Hamburg) so allmählich eingeführt werden, scheinen das nicht in der von mir erhofften Qualität (und Quantität, die schönen Sachen sind immer alle ratzfatz überbelegt) zu verwirklichen
Kommentar von AnJu am 1. Juli 2011 um 09:36
@Kirsten: ja, das wäre schön, wenn es die Freizeitangebote in der Schule gäbe. Aber dafür müssten die Schulen mit den nötigen Mitteln ausgestattet werden und in der Realität sieht es leider eher so aus, dass Stunden für AGs gestrichen werden um Geld einzusparen.
Kommentar von Patricia am 12. Juli 2011 um 11:45
Ja, in der Realität ist die Betreuung in Ganztagsschulen häufig Verwahrung, oder aber, auch sehr beliebt, man bietet Kurse an, die aber noch zusätzlich zur OGS-Gebühr bezahlt werden müssen.
Kommentar von AnJu am 13. Juli 2011 um 10:20
Da wird uns verkauft, es wurde was für Familien getan, weil wir jetzt 20 Euro mehr Kindergeld bekommen, dabei hätte man das Geld viel sinnvoller z.B. den Schulen zur Verfügung stellen können.