Archive for Mai, 2020

Standby, irgendwie

Wie oft schreibt man dieser Tage in E-Mails was von „merkwürdigen“ oder „besonderen“ Zeiten. Aber irgendwie ist das merkwürdig jetzt das neue normal. Der Ausnahmezustand ist Routine geworden und die Routine ist an manchen Stellen nicht so, wie ich sie gern hätte. Die Kinder werden von Tag zu Tag fahrlässiger mit den Schulaufgaben und vertrödeln sie bis in den Nachmittag. Ich versteh das in gewisser Weise. Für was sollen sie sich beeilen, wenn Freunde treffen noch immer nur sehr eingeschränkt geht, immer noch alles, was Spaß macht, zu hat und der Dauersonnenschein von dauergrau und kalt abgelöst wurde. Dennoch bin ich müde davon, die Kinder permanent zu Dingen zu überreden, die sie nicht machen wollen und mich für Aufgaben, die ich mir nicht ausgedacht habe, anmeckern zu lassen. Am Ende fehlt dann die Zeit und die Kraft, schöne Dinge gemeinsam zu machen. Dann wollen sie am Ende lieber endlich zocken, statt mit mir spazieren zu gehen oder was zu spielen. Neulich waren wir auf dem Spielplatz. Die Kinder standen erst mal eine ganze Weile nur rum. Als hätten sie vergessen, was man auf dem Spielplatz so tut. Ich schaue derweil ungläubig auf den Raps, der schon verblüht ist, auf die Getreidefelder, die schon kniehoch stehen und die Bäume, die schon nicht mehr frühlingshellgrün sind. Im nächsten Monat hat Sohn1 Geburtstag, nach Pfingsten wollten wir verreisen. Mein Gefühl steht noch auf März. Wie kann die Zeit einfach weiterlaufen, wenn das Leben still steht? Wie kann der Sommer trotzdem kommen, auch wenn alles, was den Sommer ausmacht, fehlt?

Tagebuchbloggen 05/20

Heute ist schon wieder der 5. und Frau Brüllen fragt, was wir den ganzen Tag gemacht haben. Hier sind immer noch alle Zuhause. Wie es aussieht wird es vor dem 15. Juni keine Schule und keinen Kindergarten für unsere Kinder geben. Ich bin auf jeden Fall noch diese Woche (hauptsächlich) im Home Office. Wie es danach weiter geht, steht noch nicht fest.

Mein Wecker klingelt um Viertel vor Sieben. Ich stehe um Viertel nach Sieben auf. Sohn2 ist wach, die anderen schlafen noch. Er spielt ein bisschen Animal Crossing.

Als erstes kümmere ich mich um die Spülmaschine. Dann staubsauge ich im Untergeschoss. Das ist mein Mittel gegen die Prokrastination. Einfach morgens eine Sache aufräumen, die einen sonst den ganzen Tag stören würde. Gestern habe ich eine Kommode abgeräumt, heute eben gestaubsaugt. Außerdem bringe ich den vollen Müll raus. Dann mache ich Frühstück. Es gibt Zimtschnecken von gestern. Dazu schneide ich Obst. Nebenher lese und beantworte ich am Handy die ersten E-Mails.

Gegen neun frühstücken wir. Anschließend geht es nach oben ins Zimmer der großen Söhne, wo sie lernen und ich arbeite. Sohn1 fängt mit Mathe an. Da wird heute ein neues Thema per Video eingeführt. Die letzten Male wurde das als Videokonferenz gemacht, aber heute war gleichzeitig eine andere Konferenz und so hat die Lehrerin ein Erklärvideo vorbereitet. Sohn2 drückt sich ein bisschen ums Anfangen, arbeitet dann aber gut und selbständig seine Wochenpläne ab. Gut, etwas bestochen habe ich ihn und er macht zwischendurch noch eine lange Pause. Irgendwann muss ich ein Arbeitsblatt für Sohn1 ausdrucken und kämpfe etwas mit dem Drucker. Mein Diensttelefon klingelt und ich höre es nicht. Sohn2 trägt es mir hinterher.

Sohn3 sitzt derweil mit der Switch und Minecraft auf dem Sofa. D. ist heute nicht fit und ruht noch. Ich schreibe mehrere E-Mails an verschiedene Leute. Eigentlich steht für heute auf dem Programm, dass ich meinen Vortrag, den ich Donnerstag halten muss, mal fertig mache. Dazu komme ich aber erst mal nicht. Ich mache einen Projektantrag fertig und reiche ihn ein. Da kam endlich das OK von oben.

Sohn1 hat sich um halb eins für einen Spaziergang mit einem Freund verabredet, den er seit Beginn der Schulschließung nicht mehr gesehen hat. Dafür darf er natürlich seine Aufgaben unterbrechen.

Um halb eins klingelt es. Der dpd-Lieferant bringt ein Paket mit unserer neuen Hecke. Unsere schöne Buchshecke vor dem Komposthaufen, ist letztes Jahr dem Buchsbaumzünsler zum Opfer gefallen. Jetzt haben wir Liguster bestellt. Ich habe auch langsam Hunger und verlege meinen Arbeitsplatz nach unten. Ich mache mir und Sohn3 Toast. Sohn2 hat aus Gründen NicNacs gevespert und Sohn1 isst mit seinem Freund in Eis. Sohn3 geht eine Runde in die Badewanne, Sohn2 duscht anschließend auch.

Sohn1 kommt zurück und arbeitet weiter. Ich auch. D. kümmert sich um die Heckenplanzen, Sohn2 und Sohn3 spielen erst zusammen Minecraft, dann streiten sie eine Weile und dann toben sie zusammen in unserem Schlafzimmer.

Um 16 Uhr ist Sohn1 zum Fortnite spielen verabredet. Ich räume den Wäscheständer im Wohnzimmer weg und rolle meine Turnmatte aus. Um 16:30 startet mein Bodyfit-Kurs über webex. Einmal fällt kurz das Bild aus, ansonsten klappt es gut. Und es ist anstrengend.

Anschließend springe ich kurz unter die Dusche und arbeite weiter. Außerdem scanne ich Sohn1s Matheaufgaben von letzter Woche und schicke es seiner Lehrerin.

Um 19 Uhr überrede ich Sohn3, der unentwegt auf dem Sofa turnt, mit mir raus zu gehen. Sohn2 will nicht mit. Er spielt mit seinen Kuscheltieren. Wir laufen zur Schule, um Sohn2s Aufgaben von letzter Woche einzuwerfen. Sohn3 isst unterwegs ein Eis. Auf dem Rückweg holen wir Döner, Pizza und Falafel zum Abendessen ab, die D. bestellt hat. Das hatten die Kinder sich gestern gewünscht. Anschließend spielen Sohn2 und Sohn3 noch eine Runde zusammen Minecraft und Sohn1 ergänzt einen Matheaufschrieb, damit ich das seiner Lehrerin schicken kann.

Anschließend gehen die Kinder ins Bett. D. und ich streiten jetzt, wer zuerst die Switch für Animal Crossing kriegt. Außerdem sollte ich noch einen Bericht lesen und die BNT-Arbeitsblätter ausdrucken, die Sohn1 morgen bearbeiten soll. Ich muss nämlich morgen zu einer Besprechung schon vormittags ins Büro.