Gestern abend kurz vorm Schlafengehen zappte ich zufällig in eine Sendung beim SWR. „Der Kunde als Knecht“ war das Thema. Angesprochen werden sollte, dass wir heutzutage viele Dinge selbst machen, die früher noch Dienstleistungen waren. Im Selbstversuch probierte die SWR-Autorin alle möglichen Selbstbedinungsangebote unterschiedlicher Anbieter aus. Dabei wurde immer wieder betont wie schwierig das alles sei. Ich schaltete zu, als es gerade um Bahnfahrkarten ging. Da wurde zwei Bahnfahrkarten jeweils am Schalter, am Automat, im Internet und im Reisebüro gebucht. Das Fazit war, dass es ja gar nicht billiger sei, wenn man es selbst im Internet oder am Automat macht. Es sei also ein Outsourcing von Arbeit an den Kunden, der dafür nichts bekommt. Tatsächlich fand sich das Reisebüro bei den zwei gewählten Verbindungen sogar am besten im „Tarifdschungel“ der Bahn zurecht. Was allerdings verschwiegen wurde, war, dass die ausgewählten Verbindungen und Reisendenkonstellationen so komplex waren, dass der günstigste Preis nicht auf der Hand lag. Und den Fall, dass eine Hin- un Rückfahrt billiger ist, als eine einfache Fahrt, den muss man sich auch schon genau vorher aussuchen. Als Kunde bekomme ich aber doch etwas dafür, dass ich die Arbeit selbst mache. Ich spare Zeit. Statt eine halbe Stunde vor Abfahrt des Zuges am Bahnschalter zu stehen, kann ich fünf Minuten vor Abfahrt noch schnell ein Ticket aus dem Automat ziehen. Klar, dass das für die ältere Generation oder für Leute, die nicht oft Bahn fahren verwirrend und kompliziert ist, aber genau für die gibt’s doch die Bahnschalter. Warum also beschweren?
Das nächste Beispiel waren die Packstationen. „Zufällig“ filmten sie eine junge Dame, die gerade ein Paket abholte und erzählte, dass es am Vortag eine Störung gegeben hatte uns sich das Fach nicht öffnete. Sie musste also ein zweites Mal hin. Die vielen anderen Leute die jeden Tag problemlos ihre Pakete abholen, die haben sie nicht gezeigt. Die SWR-Autorin wollte dann im Selbstversuch ein Paket über die Packstation verschicken und das Paket vorher online frankieren. Da gab es zu bemängeln, dass man sich vorher für Paypal anmelden muss. Zum Ausdrucken des Scheins fehlte ihr dann die aktuelle Java-Version. „Huch, jetzt will der was installieren!“. Da hat sie einen Schreck bekommen. Nach ner halben Ewigkeit hatte sie dann Java installiert. Das Ausdrucken hat auch noch eine Weile gedauert („Acrobat will eine Verbindung zur Seite herstellen. Soll ich da „Annehmen“ oder „Blockieren“ klicken?“). Und dann musste sie das Paket ja auch noch zur Packstation bringen, was wider Erwarten problemlos funktionierte. Insgesamt hat sie also über eine Stunde um das Paket abzuschicken. Aber mal ehrlich, ist das die Schuld von der Packstation? Schließlich hätte sie das Porto auch an der Packstation mit EC-Karte bezahlen können. Niemand hat sie gezwungen das online zu machen. Außerdem hätte sie sich ja mit ihrem Paket auch eine dreiviertelstunde in die Schlange bei der Post stellen können. Wenn das der Service ist, den sie sich wünscht. Zufälligerweise weiß ich auch, dass die Packstationen keine Sparmaßnahme der Post sind. Die lohnen sich nämlich nicht. Aber für viele berufstätige Menschen ist es eine Erlösung die Pakete nicht Samstags (wer hat schon unter der Woche zu Postöffnungszeiten frei) mit 300 anderen in der Postfiliale abholen zu müssen.
Dann fuhr die Autorin einen Professor besuchen, der ein Buch über das Thema geschrieben hat. Der fing an davon zu erzählen, wieviel Kohle IKEA dadurch spart, dass alle ihre Billy-Regale selbst aufbauen. Ein Unding sei das. Allerdings würde IKEA die Aufbaukosten ja auf den Regalpreis draufschlagen, wenn sie das für alle Kunden aufbauen müssten. Ich glaube, dass viele es vorziehen eine halbe Stunde selbst zu investieren und dadurch Geld zu sparen. Wer das nicht will, der kann ja in einem anderen Möbelhaus einkaufen.
Der Professor hat im Selbstversuch einige Onlinekonten und bestellt auch öfters mal im Internet. Darüber hatte er nur zu schimpfen. Die Onlineshops seien so kompliziert, dass man sich eh nur bei einem anmeldet. Die Tortur würde man nicht ein zweites Mal durchmachen. Hä? Also ich finde online einkaufen nicht besonders kompliziert. Darüberhinaus bietet es den Vorteil, dass man quasi alles kaufen kann. Da kann man schon einige Zeit in der Stadt verbringen, um so ein Angebot zu finden. Er versuchte dann live vor der Kamera eines seiner Onlinekonten über die Telefonhotline zu kündigen. „Bitte nennen Sie Ihre Kontonummer oder geben sie über die Telefontastatur ein“. Nix besonderes also. Nur stellte der das Telefon auf Raumlautsprecher und nuschelte seine Nummer aus einiger Entfernung. Das hat der Automat nicht verstanden. Über die Tastatur eingeben wollte er sie nicht. Er hat dann lieber aufgelegt und gejammert. Das sei alles so kompliziert. Früher, da hat einen der Bankangestellte noch mit Namen gekannt und konnte die Kontonummer auswendig. Also erstens finde ich Telefonbanking nicht wirklich kompliziert und zweitens ziehe ich es vor mir mein Geld am Automat dann zu holen, wenn ich es brauche und nicht dann, wenn die Bank offen hat bei dem Angestellten der meinen Name kennt.
Es folgten dann noch ein Check-In Automat eines Hotels und die Elsterformulare für die Steuererklärung. Fazit der Sendung war: wir machen so viele „sehr komplizierte“ Dinge selbst und die Firmen sparen damit Personal und Kosten ein. Wir haben davon nichts. Alles quatsch, finde ich. Für mich ist es ein Zugewinn an Lebensqualität, wenn ich meine Freizeit nicht in Schlangen an Postschaltern, Bankschaltern oder bei Ämtern verbringen muss. Wenn die Generation der über 50jährigen das nicht so sieht, können die das ja gerne machen. Niemand zwingt sie sich mit der ungeliebten Technik rumzuschlagen, aber vielen anderen Menschen macht genau die das Leben unsagbar leichter.