Ich muss ja sagen, dass mir die Muttertagswünsche auf twitter ziemlich egal waren. Da wurden eben Mißstände aufgezeigt und Wünsche geäußert. Aber dann las ich diesen Artikel dazu und jetzt muss ich doch noch was dazu schreiben. Viele der Forderungen im Artikel finde ich richtig, allerdings finde ich, dass die Muttertagswünsche der anderen zu Unrecht schlecht geredet werden. Ich hab hier mal ein paar Zitate kommentiert:

Ihr meint doch nicht wirklich, dass jemand in 20 oder 25 Stunden Teilzeit genau so tolle Häuser bauen, Prozesse führen oder regieren kann, wie jemand, der das 40, 50 oder 60 Stunden tut?

Das mit dem Regieren in Teilzeit ist vielleicht in der Tat schwierig. Bei den anderen Beispielen muss ich sagen: doch, ich glaube, dass man in Teilzeit genauso tolle Häuser bauen und Prozesse führen kann, nur eben nicht so viele. Man kann in 50 % der Arbeitszeit eben auch nur 50 % der Arbeit erledigen, aber die Qualtität muss darunter nicht leiden!

… eine Kollegen als genauso verlässlich geschätzt wird, bei der man nie so ganz genau weiß, ob sie am Montagmorgen erscheint, oder sich wegen eines kranken Kindes abmeldet. Haltet ihr es denn wirklich für zumutbar, dass dieser Frau genauso wichtige, zeitkritische und verantwortungsvolle Projekte übertragen werden, wie jemandem, der nur ein Zehntel dieser Ausfalltage hat?

Kollegen, die unzuverlässig sind, sind immer schlecht. Ich würde das aber nicht primär an Kindern fest machen. Bei uns sind die KollegInnen mit Kindern in der Regel sehr zuverlässig und vor allem sehr belastbar. Kinderlose melden sich ja auch unerwartet krank und fallen länger aus. Dass unzuverlässige MitarbeiterInnen weniger Verantwortung bekommen, ist klar. Allerdings ist es falsch, den Eltern und vor allem den Müttern gleich den „unzuverlässig“-Stempel aufzudrücken.

Und glaubt ihr denn in vollem Ernst, dass es richtig ist, jemanden, der nicht oder kaum in die Rentenkasse eingezahlt hat, später genauso viel auszuzahlen, wie jemandem, der jahrzehntelang jeden Morgen zur Arbeit gegangen ist?

Ich glaube an die Solidarität. Ja, ich finde es asozial, sowas von kinderlosen Doppelverdienern zu hören, die später eine fette Rente ausgezahlt bekommen, obwohl sie nur einen Teil des Generationenvertrags erfüllt haben. Sie haben zwar ordentlich eingezahlt, aber nicht dafür gesorgt, dass auch später noch Einzahler da sind. Selbst Familien, wo beide Eltern über weite Teile ihres Erwachsenenlebens erwerbstätig waren und eingezahlt haben, stehen im Alter finanziell schlechter da, als Kinderlose. Ich finde das „dann geh halt arbeiten und jammer nicht“-Argument in unserem heutigen Deutschland nicht angebracht. Eine flächendeckende Rundum-Kinderbetreuung gibt es eben (noch?) nicht. „Ganztagesbetreuung“ in der Schule bedeutet hier z.B. 7:30-15:30. Ferienbetreuung deckt in den großen Ferien nur 50 % der Zeit ab und endet bereits um 13:30. In unterschiedlichen Einrichtungen liegt die Betreuung auch zu unterschiedlichen Zeiten. Für uns ergibt sich dieses Jahr in den Sommerferien z.B. ein Zeitraum von 5 Wochen, in dem immer mindestens ein Kind ohne Betreuung ist. Sowas macht eine Vollzeitbeschäftigung von beiden Eltern unmöglich, wenn man keine Großeltern vor Ort hat, die die Betreuung übernehmen. Und nicht jede Vollzeitbeschäftigung wirft genug ab, dass man sich zusätzlich noch Tagesmütter oder Nannys leisten kann. Gerade in betreuenden oder pflegenden Berufen liefert eine lückenlose Vollzeitbeschäftigung bis ins Rentenalter eine Rente knapp über dem Existenzminimum. Und zusätzliche private Rentenversicherungen sind vom Gehalt bei gleichzeitigen Betreuungskosten für die Kinder, nicht in notwendiger Höhe möglich.
Es geht hier nicht darum, den Eltern, die keiner Vollzeitbeschäftigung nachgehen können oder wollen ein Rentnerleben in Saus und Braus zu finanzieren. Es geht darum, dass die Erziehungsleistung der Eltern in dem jetzt bestehenden System von Kindergarten und Schule honoriert wird. Schulen und Kindergärten verlassen sich ganz selbstverständlich auf die Mitarbeit von Eltern. Kuchen backen und verkaufen zur Finanzierung von Spielgeräten, Ausflügen und Klassenfahrten, Begleitpersonen bei Ausflügen, Fahrdienste zu Auswärtsaktivitäten, Mitgestaltende bei Projekttagen und Aufsichtspersonen bei Sporttagen. Das alles wird kostenlos von Eltern geleistet. In der Regel von den Eltern, die nicht Vollzeit arbeiten. Ich bin froh, dass meinen Kindern solche Dinge ermöglicht werden, weil andere Eltern Zeit dazu haben. Klar wäre es wünschenswert, das sowas von fest angestelltem Fachpersonal geleistet würde, aber davon sind wir eben noch weit entfernt. Solange das Schulsystem sich auf die Mitarbeit und Verfügbarkeit von Eltern stützt, finde ich die staatlichen Förderungen für Familien noch viel zu gering.

Ich wünsche mir weiter, dass Väter und Mütter gleiche Ausfallrisiken haben.

Ja, das wünsche ich mir auch. Außerdem wünsche ich mir, dass akzeptiert wird, dass es im Menschenleben Zeiten gibt, in denen man für die Erwerbsarbeit ausfällt. Ich wünsche mir, dass verstanden wird, dass auch Menschen die mehrere Monate zu Hause sind, im Anschluss gute Arbeit leisten und nicht „raus sind“. Ich wünsche mir, dass Teilzeitkräfte verantwortungsvolle Aufgaben übertragen bekommen, die sie im Rahmen ihrer Arbeitszeit erfüllen können. Ich wünsche mir, dass solange das Schulsystem durch Elternarbeit gestützt wird, diejenigen Eltern die das leisten, dafür auch im Rentensystem honoriert werden. Ich wünsche mir aber vor allem, dass die Modelle „Vollzeitarbeit“ und „Vollzeiteltern“ nicht mehr als konträre Modelle einer Lebensführung gesehen werden, sondern als temporäre Möglichkeiten im Erwerbsleben von Menschen, die auf verschiedenste Art und Weise kombiniert werden können. Ich wünsche mir, dass die, für die im Leben alles gut gelaufen ist, im Blick behalten, dass andere schlechtere Bedingungen haben. Ich wünsche mir, dass das ständige „Ich will nicht für eure Kinder/eure Rente bezahlen!!!“ aufhört. Warum wiegeln wir uns gegeneinander auf? Es gibt andere Bereiche in denen „unser“ Geld auf viel sinnlosere Art verschleudert wird.