Manchmal wird mir bewusst, wie gut es uns doch geht. Und dann ärgere ich mich über die Arroganz, wie damit umgegangen wird. Da hört man dann immer wieder impfen sei böse und eine Erfindung der Pharmaindustrie. Schließlich verdienen die ja daran, wenn geimpft wird. Manchmal wird noch dazu gesagt, dass ja die Ärzte auch ordentlich dran verdienten und deshalb zum Impfen raten würden. Der Heilpraktiker, der sich seine Stunde zwar auch ordentlich vergüten lässt, macht das aber bestimmt nur, damit er seinen Lebensunterhalt gesichert hat und arbeitet sonst aus reiner Menschenliebe. Ich will hier die Pharmaindustrie nicht heilig sprechen, denn bestimmt ist nicht alles gut, was da läuft, aber impfen ist gut. Und nur die Durchimpfung der Bevölkerung hat uns überhaupt dahin gebracht, dass wir darüber nachdenken können, nicht zu impfen. Luxusprobleme eben.
Das gleiche hört man auch gerne über Antibiotika. Die sind ja auch von vornherein böse und sollten nach Möglichkeit vermieden werden. Klar, ist es nicht angebracht bei jedem Schnupfen gleich Antibiotika zu nehmen (was bei einem Schnupfen vermutlich noch nicht mal was nutzt), aber man sollte nicht vergessen, dass durch die Gabe von Antibiotika einige Krankheiten ihren Schrecken verloren haben, an denen man früher elendig verreckt ist.
Heutzutage leiden Mütter und Kinder unter den Folgen von Kaiserschnittgeburten. In Seminaren können die negativen Gefühle besprochen und verarbeitet werden. Ich möchte nicht behaupten, dass es die negativen Gefühle nicht gibt (kann ich nicht beurteilen), aber manchmal kommt es mir vor, als ob einem diese Gefühle von außen eingeredet werden. „Ohje, ein Kaiserschnitt. Wie kommst Du damit klar? Fehlt Dir nicht die wichtige Erfahrung der natürlichen Geburt? Und Dein Kind schreit sicher viel!“ Man sollte nicht vergessen, dass auch heutzutage Kaiserschnitte noch immer dazu dienen Mutter und Kind heil durch die Geburt zu bringen. Ich weiß nicht, ob es wahr ist, dass Kliniken für Kaiserschnitte mehr Geld bekommen (das wird gerne behauptet), aber derjenige der darüber entscheidet ist doch letzendlich der Arzt, der neben einem am Kreißbett steht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das alles profitgesteuerte Roboter sind. Die Ärzte, die ich kenne, sind in erster Linie an den Menschen interessiert. Der Großteil der Ärzte wird vermutlich lieber auf einen Kaiserschnitt verzichten wollen. Da schneidet man nämlich den ganzen Bauch auf.
Es gibt viele Regionen auf der Welt, wo eine flächendeckende medizinische Versorgung nicht gewährleistet ist. Manchmal frage ich mich, was die Menschen dort dazu sagen würden, wenn man ihnen erzählt, man wolle seinen Kinder die Impfungen „nicht zumuten“, lieber Zuckerperlchen als Antibiotika schlucken und die Klinik verklagen, weil sie einen um das Erlebnis der natürlichen Geburt gebracht hat. Der Fortschritt, der in anderen Lebensbereichen ganz selbstverständlich hingenommen wird, wird in der Medizin ständig verteufelt. Klar verdienen Pharmaunternehmen an Medikamenten, aber auch der Waschmaschinenhersteller verdient Geld, wenn wir eine Waschmaschine kaufen. Ebenso der Spülmaschinenhersteller, der Kühlschrankhersteller, der Autohersteller. All denen wird das Geldverdienen mit unserem Lebensstandard zugestanden. Da kommt niemand mit den Argumenten „Früher ging’s ja auch ohne.“ oder „Die Frauen in Afrika/Indien/Osteuropa…“ Warum ist das beim medizinischen Fortschritt anders? Weil man die Folgen nicht zwangsläufig sofort spürt? Ich weiß es nicht. Irgendwelche Ideen?