Unser neuer Mitarbeiter, der mit Uni-Betrieb und Studenten in seinem bisherigen Leben so viele Berührungspunkte hatte, wie ich mit Platinendesign (soll heißen: gar keine!), fragte neulich beim Mittagessen, warum an der Uni denn so viel los sei, wo doch Ferien sind. Wir schauten ihn verständnislos an, bis uns klar wurde, dass er davon wirklich keine Ahnung hat. Also haben wir in aufgeklärt, dass es keine Ferien sind, sondern vorlesungsfreie Zeit und das es viele Gründe geben kann, warum Studenten da an der Uni rumhängen, z.B. Prüfungen, Blockpraktika, Haus-, Studien- oder Diplomarbeiten. Er glaubte wirklich Studenten haben ein halbes Jahr frei. Wie halten sich diese Studentenmythen nur so hartnäckig? Genauso wie das Bild des faulen Studenten, der ja immer bis mittags schläft. Dass der dann vielleicht bis morgens um fünf gelernt hat, interessiert nicht, weil’s nicht in das gutbürgerliche Bild passt. Dabei sind die Nachtstunden so besonders gut um konzentriert zu arbeiten. Draußen ist es still und dunkel, das ganze Haus schläft (es sei denn, man wohnt im Wohnheim) und irgendwann nach 1 Uhr kommt man in einen Flow, wo die Worte direkt aus den Finger zu fließen scheinen, wo physikalische Zusammenhänge plötzlich in klarster einfachster Form auftauchen, wo die seltsamen Zahlen und Symbole auf dem Papier plötzlich einen Sinn ergeben und wo der Computer plötzlich die Sprache, in der man mit ihm kommuniziert, versteht und genau das tut was man will. Wenn man dann nach so einer Nacht schief angeschaut wird, weil man um 13 Uhr noch im Bett liegt, da kriegt man nicht zu Unrecht Aggressionen.
Allerdings will ich nicht behaupten, Studenten würden nicht auch öfters bis morgens feiern statt zu lernen. Als Student hat man den entscheidenden Vorteil gegenüber der arbeitenden Bevölkerung, dass man seine Zeit frei einteilen kann. Wenn man bis nachts um fünf feiern geht, muss man sich nur vor sich selbst rechtfertigen, wenn man morgens um acht nicht wieder in der Vorlesung sitzt. Allerdings muss man auch jede gefehlte Vorlesung für sich selbst irgendwann nachholen, denn die Prüfung kommt bestimmt. Wenn man also eine zeitlang Parties den Vorlesungen vorzieht, so folgt unweigerlich eine Zeit, in der man dem Lernen alles unterordnet.
Aber so schön, wie es sich anhört, ist es in der Realität nicht. Beinahe jeder Student hat ja heutzutage, wo schon ein WG-Zimmer mehr als die Hälfte des Bafög-Höchstsatzes verschlingt, einen Nebenjob. Bei mir gab es mehrere Semester, wo ich zusätzlich zu den 30 SWS Vorlesung und Übung noch 10 Stunden die Woche gearbeitet habe. Hört sich jetzt nicht so schlimm an, eine 40-Stunden-Woche. Allerdings hat man in den 30 SWS noch kein Übungsblatt gelöst, geschweige denn eine Vorlesung nachbearbeitet. Vorlesungen nachbearbeiten habe ich eh nie gemacht (wann auch), Übungsblätter hatte ich manchmal vier oder fünf, die regelmäßig, alle ein bis zwei Wochen, abgegeben werden mussten. Wenn man pro Übungsblatt dann nochmal vier Stunden mit Kommilitonen zusammen rumrätselt, dann bleibt am Ende nicht viel von der Woche übrig. Am schlimmsten ist allerdings der Druck, dass man nie wirklich fertig ist, dass immernoch irgendwo was liegt, was man nicht machen konnte. Und da sind wir wieder bei den Ferien angekommen. Da sind dann die Prüfungen und Geld verdienen sollte man ja auch noch, wenn man in der Zeit, die dann noch bleibt, gerne Urlaub machen will. Es gab Zeiten, da hatte ich eine Woche Urlaub im Jahr.
Wenn dann mal wieder jemand auf die faulen Studenten schimpft, dann frage ich immer, wer denn gerne so einen Job machen will. Gut und gerne 50 bis 60 Stunden Arbeit die Woche, eine Woche Urlaub im Jahr und das alles zu einer grandiosen Bezahlung von unter 1000 Euro netto im Monat. Achso ja, 1000 Euro im Jahr kostet der Spaß ja jetzt auch noch.