Arbeiten 2011
von alasKAgirlJan 20
Mir hat mal jemand erzählt, dass es schlecht sei, wenn in einem Unternehmen im Schnitt wenig Überstunden gemacht werden. So richtig verstehen kann ich das nicht. Warum wird ab einem gewissen Karrierelevel voraussgesetzt, dass man mehr arbeitet? Eigentlich wäre doch die logische Konsequenz, jemanden einzustellen, sobald die anfallende Arbeit von den Mitarbeitern nicht mehr in einer annehmbaren Zeit zu schaffen ist. Natürlich gibt es auch mal kurzzeitig mehr Arbeit, für die man nicht mal eben jemand einstellen kann. Ich rede hier aber auch nicht von ein paar stressigen Wochen, sondern davon, dass manche Unternehmen sich darauf aufbauen, dass ihre Mitarbeiter permanent mehr arbeiten als im Vertrag steht und gesetzlich erlaubt ist. Ich bin auch immer wieder erstaunt, wieviele Menschen dazu bereit sind, wenn denn die Bezahlung stimmt. Ich habe in den letzten Jahren sehr viel Freizeit in meine Doktorarbeit investiert. Jetzt, wo mir diese Zeit wieder zur Verfügung steht, sehe ich, wie wichtig mir meine Zeit ist. Zeit ist nicht Geld, sondern Zeit ist Zeit. Mit welcher Summe soll einen der Arbeitgeber locken, wenn man es jeden Abend verpasst sein Kind ins Bett zu bringen, wenn man soviel unterwegs ist, dass man beim Abendessen in der Familie vom eigenen Kind die Schüssel gereicht bekommt mit den Worten „die Gäste zuerst!“? Wenn ich nun immer lese davon, dass mehr Frauen in Führungspositionen sollen und von Quoten gesprochen wird, dann denke ich, das ist auch nicht die Lösung. Ich denke man bräuchte in erster Linie familienfreundlichere Arbeitsbedingungen auch für Führungskräfte. Ich meine damit keine 24/7 Kinderbetreuung (obwohl das manchmal auch schon helfen würde) oder die Möglichkeit zur Teilzeitarbeit. Teilzeitstellen sind doch oft einfach Vollzeitstellen mit schlechterer Bezahlung. Es muss doch auch in einer Führungsposition möglich sein, seinen Job gut zu machen UND Zeit zu haben bei der Familie zu sein. Warum ist die Arbeit nicht in einer annehmbaren Zeit zu schaffen? Und wie effektiv arbeitet man noch nach 12 Stunden? Ich denke, dass auch viele Männer sich mehr Freizeit wünschen würden, die sagen es nur seltener. Wieviele Männer lehnen einen Karriereschritt ab, um mehr bei der Familie zu sein, und wieviele Frauen tun das? Klar kann man sich seinen Job immer noch selbst aussuchen und muss so einen Job ja nicht machen. Was aber, wenn man gerne möchte, die Randbedingungen aber untragbar findet? Dann verzichtet man auf einen tollen Job und der Arbeitgeber vermutlich auf einen tollen Angestellten. Blöd für beide. Wie wär’s hier mal mit Umdenken.
Achja, einen Vorschlag zur Verbesserung im wissenschaftlichen Bereich: Fachtagungen mit Kleinkindbetreuung.
12 Kommentare
Kommentar von Frau Sevenjobs am 20. Januar 2011 um 16:19
Das finde ich einen wichtigen Anregung. Als Arbeiter (ob Arbeitnehmer oder Selbständiger) verkaufe ich Lebenszeit. Der Preis ergibt sich zum einen aus Angebot und Nachfrage und zum anderen aus dem Wert der Dinge, auf die ich wegen der Arbeit verzichte. Ich glaube einfach nicht, dass es Männern reicht, ihre Kinder nur am WE oder im Urlaub zu sehen. Ich glaube nicht an diese Gefühllosigkeit von Männern und den permanenten Betüttelungswillen von Frauen. Wie oft höre ich von Männern:“Auch ich wünschte ich könnte auch mal zu Hause bleiben!“ Auf meine Frage warum sie es denn nicht einfach täten erhalte ich keine Antwort……
Kommentar von AnJu am 20. Januar 2011 um 16:54
„Warum tust Du’s dann nicht?“ ist auch immer eine fiese Frage auf eine „ich würde auch mal gerne…“ Äußerung. Es gibt viele Dinge, die man tun könnte, wenn man Mut hätte oder sich anstrengen würde. Will der Mann zuhause bleiben, dann muss er sich rechtfertigen, mit dem Arbeitgeber Absprachen treffen, evtl. bei der Karriere zurückstecken. Das erfordert Mut. Auch von Frauen fordert es Mut. Ich glaube viele Frauen stimmen mir zu, dass der Gang zum Chef mit der Nachricht „Ich bin schwanger“ von viel Herzklopfen begleitet ist. Aber immerhin muss eine Frau sich nicht rechtfertigen, wenn sie zuhause bleibt. Und genauso ist das, wenn man zugunsten der Familie auf Karriere verzichtet. Bei einer Frau ist das akzeptiert, bei einem Mann eher ungewöhnlich. Nicht, weil Männer gefühllos sind und besser auf ihre Kinder verzichten können, sondern weil so eben das klassische Rollenbild ist. Und deswegen: umdenken 😉
Kommentar von Schussel am 20. Januar 2011 um 21:35
Ja, stimme Dir voll und ganz in allem zu: es muss umgedacht werden!
Kleinkinder müssten nicht nur auf Konferenzen untergebracht werden können. Ich habe schon von Unternehmen (meist nicht in Deutschland..) gelesen, die Spielecken oder Spielzimmer haben, und wenn dann wegen einer fehlenden Betreuung oder ähnlichem das Kind eben mal einen Tag mit ins Büro muss – so what? Alles muss familienfreundlicher werden, und es muss selbstverständlicher werden, dass auch gut und gerne arbeitende Menschen irgendwann im Leben Kinder kriegen. Wir sind hier ein wenig die Exoten mit unserem Halb-Halb-Modell, der Mann als Elternzeit nehmender Vater sowieso – aber er hat auch schon Leute angesteckt, tatsächlich. Umdenken fängt klein an.
Was die Überstunden angeht ist mir ein Satz meines Chefs eingefallen: „Im Großen und Ganzen sollten Sie ihre Arbeit in 40 Stunden schaffen. Wenn das dauerhaft nicht klappt, dann haben Sie entweder zu viel Arbeit oder den falschen Job.“ Deutlich, aber doch irgendwie wahr.
Kommentar von AnJu am 21. Januar 2011 um 09:33
Das Halb-Halb-Modell ist natürlich ideal. Aber funktioniert das auch in der Praxis? Bei meinem Job ist es so, dass es einfach manchmal Dinge gibt, die nicht am halben Tag erledigt sind, z.B. Projektbesprechungen am anderen Ende Deutschlands oder Tagungen. Wenn man nur Teilzeit arbeitet kann man die Mehrarbeit zwar über Gleitzeit ausgleichen, aber das funktioniert ja nicht, wenn man immer mittags zuhause sein muss, weil dann der Partner arbeiten geht. Gibt es bei Euch solche Situationen? Wie macht ihr das?
Kommentar von isnochys am 21. Januar 2011 um 10:20
Es gibt glaub ich nichts schlimmeres, als einen Projektleiter, der nur halbtags vor ort ist..
Und vergiss es, dass da ersatz rankommt.
dann muss eben in der Zeit das Pesnum einer normalen woche abgearbeitet werden
Mein Kollege würde das nie wieder machen.
Lieber 1/2 Jahr komplett weg und anschließend wieder normal im Job.
Kommentar von AnJu am 21. Januar 2011 um 10:27
Wahrscheinlich ist in so einem Fall besser, statt 5 halbe Tage 3 ganze Tage (oder 2,5) da zu sein. Wenn man erstmal da ist und die Sachen gemacht werden müssen, hängt man dann doch länger da und kriegt einfach weniger Geld für die gleiche Arbeit.
War es für Euch schlimm, dass der Projektleiter nur halbtags da war oder für ihn?
Kommentar von isnochys am 21. Januar 2011 um 11:07
Nein, das ist auch nicht besser, denn so macht er es gerade..
da muss er die arbeit einer 5 tage woche eben in 2.5 Tagen schaffen..
bei keinem Projekt war die Projektleitung bislang nur halbtags da.
das war auch gut so..
selbst ein kurzer Urlaub kann sich negativ auswirken.
Projektleitung sollte am besten 24/7 erreichbar sein.
Kommentar von AnJu am 21. Januar 2011 um 12:32
Und warum muss die Projektleitung immer erreichbar sein?
Kommentar von Schussel am 21. Januar 2011 um 12:36
Nein, wir machen ein Halb-Halb-Modell mit ganzen Tagen. Halbe Tage wären mir auch zu anstrengend, da wäre ich kaum drin in der Arbeit, bevor ich aufhören muss. Außerdem verringern wir so die Fahrzeiten. Ich bin 3 Tage da, der Mann 2, wir sind beide zuhause erreichbar, und wenn einer von uns feste Termine hat, schichten wir um. Das funktioniert recht gut. Vielleicht nicht in absolut jedem Job – aber mein Mann hat auch eine kleine Führungsstelle und kann (Werkstatt) fast nichts von zuhause arbeiten, und trotzdem geht alles besser als gedacht. Manchmal muss man sich nur trauen.
Kommentar von Schussel am 21. Januar 2011 um 12:39
@isnochys: klar ist es womöglich bequemer, wenn z.B. ein Projektleiter immer da ist – aber mal ehrlich, ich finde, das geht an der Lebensrealität vorbei. Auch ein kinderloser Mensch kann nicht 24/7 für seinen Job verfügbar stehen, ohne irgendwann zusammenzuklappen. Balance ist das Zauberwort, finde ich – und in den Kinderjahren ist die Balance eben mal mehr auf Elternseite. Dagegen finde ich absurd, dass so viele 40- udn 50-jährige mit Erfahrung und Zeit, weil die Kinder groß sind, aufs Abstellgleis verschoben werden. Wäre es nicht toll, mit 30 Zeit für die Familie zu haben und mit 60 im Job gebraucht zu werden?
Kommentar von isnochys am 21. Januar 2011 um 12:41
24/7 ist vermutlich übertrieben.
aber zu den gewohnten 40 Stunden in der woche sollte er schon vor Ort sein.
Und weshalb er immer erreichbar sein muss.
Ich will einfach abgesichert sein.
lieber einmal zuoft nachgefragt und sich was bestätigen lassen, als es am Ende alleine ausbaden zu müssen.
Das ist zumindest ein vorteil an der Gleichmacherei in großen Unternehmen.
Kommentar von Schussel am 21. Januar 2011 um 12:44
Nachfragen kann man doch auch per Telefon. Oder email. Heute gibt es so viele Möglichkeiten. Wenn was ganz unklar war oder (auch schon passiert) eine Maschine kaputt geht und der Mann was entscheiden muss, ist er eben mit Kind gefahren. Der hat dort viele freundliche Hände 🙂
Und warum sind 40 Stunden gut, 20 oder 30 aber schlecht? Klar, mehr geht immer… nach diesem Motto wäre ja auch manchem Chef die 80-Stunden Woche am liebsten. Denn wenn ein Unternehmen immer gut läuft, gibt es auch genug Arbeit für 80 Stunden. Nur: geht nicht gut auf Dauer. Ein glücklicher Arbeitnehmer ist ein guter Arbeitnehmer, und wer ungewollt auf seine Familie verzichten muss, bleibt meiner Meinung nach nicht glücklich.