Ich bin ein Mensch mit viel Phantasie. Früher, als ich neben dem Studium als Briefzustellerin gearbeitet habe, musste ich beim radeln immer wieder drüber nachdenken, was ich wohl machen würde, wenn ich jetzt im Wald eine Leiche fände. Und als ich D. mal nicht erreichen konnte, weil unser Telefon nicht auf der Ladestation stand, fürchtete ich, er läge in einer riesigen Blutlache erschlagen unter einem Küchenschrank. Das heißt, ich bin ganz gut darin mit blutige Worst-Case-Szenarien auszumalen. Nun haben wir zwei Kinder. Da wir mit zwei Jungs noch nicht das Klischee der Heile-Welt-Familie erfüllen, werde ich immer wieder darauf hingewiesen, dass das dritte Kind ja dann ein Mädchen werden müsste. Und dann frage ich mich immer, ob ich überhaupt noch ein drittes Kind haben kann/will. Wollen prinzipiell schon, obwohl es  die beiden manchmal kollektiv schaffen, mich an die Grenze des Wahnsinns zu bringen. Mit Kinder wird vieles viel intensiver. Man freut sich viel mehr über die Freude des Kindes, als man sich jemals vorher gefreut hat. Was damit aber auch intensiver wird, ist die Sorge. An jeder Ecke lauern Gefahren und man wünscht sich, seine Kinder vor allem zu beschützen, obwohl man weiß, dass man das nicht kann. Bei jeder Erkältung, wenn man ein fiebriges Kind streichelt, tröstet und mit Medikamenten versorgt, bei jedem Pflaster was man aufklebt, kommt gleich der Gedanke „Was wäre, wenn mein Kind sich schwer verletzt oder unheilbar krank wäre?“ und schon beim Gedanken daran wird mir schlecht. Nun frage ich mich wirklich, für wie viele Kinder ich in der Lage bin, diese Sorgen zu (er)tragen. Zumal ja auch mit jedem Kind die Wahrscheinlichkeit steigt, dass was schlimmes passiert. (Ja, ich weiß, Statistik ist ein Arschloch und für den einzelnen nicht relevant.)