Girls Day

Nächste Woche ist Girls Day und wir machen mit. Zum einen natürlich, weil es uns allen Spaß macht, außerdem deshalb, weil wir zwar eine kleine Abteilung sind, aber eine für den Maschinenbau untypische Frauenquote von 50 % haben, am wichtigesten aber, weil es eine tolle Sache ist. Junge Mädchen dürfen einen Tag in technische Berufe hineinschnuppern. Die Unternehmen reißen sich ein Bein aus, um den Mädchen einen tollen Tag zu bieten. Die Mädchen können dabei nur gewinnen. Ganz egal, ob sie sich aus technischem Interesse anmelden oder nur um die Doppelstunde Mathe in der Schule zu verpassen. (Es gibt schulfrei für den Girls Day.) Eine Kollegin meinte nach unserem ersten Girls Day, man sollte unterbinden, dass sich Mädels dort zusammen mit ihren Freundinnen anmelden, weil soviel gekichert wurde. Allerdings sind die Mädels nun mal im Kicheralter und mit einer Freundin an der Seite, ist gleich alles viel einfacher. Ganz egal, ob die Mädels sich anmelden um schulfrei zu haben oder weil die beste Freundin sich angemeldet hat. Sie werden am Girls Day etwas sehen, was sie noch nicht kennen. Sie werden Frauen sehen, die in Männerdomänen arbeiten. Und vielleicht denkt die eine oder andere später bei der Studienwahl wieder dran. Wenn das so ist, hat es schon was gebracht. (Und davon abgesehen, haben wir einen Riesenspaß dabei.) Leider gab’s das noch nicht, als ich noch zur Schule ging.

Lebensentwürfe

Eine sehr junge Kollegin zieht gerade von zuhause aus und mit ihrem Freund zusammen. Dreizimmerwohnung, Wohnzimmer, Schlafzimmer, Büro (so heißt hier in Schwaben das Arbeitszimmer. Die Betonung liegt übrigens auf der ersten Silbe.). Ich frage immer mal wieder nach, wie der Umzug läuft. Erst wurde die Küche geplant und bestellt. Nun warten sie noch auf das Sofa, das irgendwann in den nächsten Wochen geliefert werden soll. Ich staune darüber, wie unterschiedlich Leben verlaufen. Als ich so alt war wie die Kollegin, bin ich gerade aus meinem Zwölfquadratmeterzimmer aus einer 7er-WG in ein größeres Zimmer in einer 3er-WG vom einen Ende ans andere Ende der Stadt gezogen. Ich hatte noch etwa drei Jahre Studium vor mir. Die meisten meiner Kommilitonen lebten in WGs oder Wohnheimen. Zusammenlebende Pärchen mit klassischer Wohnungaufteilung (Wohn-, Schlaf-, Arbeitszimmer) waren eher die Ausnahme. Dort haben wir dann mit leuchtenden Augen die IKEA-Selbsteinbauküchen bestaunt, standen doch in den WG-Küchen meist irgendwo günstig aufgetriebene, zwanzig Jahre alte Elektroherde kombiniert mit Baumarkthängeschränken und -regalen oder selbst gebauten Provisorien aus Möbelschätzen aus elterlichen Kellern. (Ich kann mich noch erinnern, wie wir zu dritt ganz versunken vor den versenkbaren, von innen beleuchteten Drehknöpfen eines Herdes standen. Davon träumen Studenten: sich einen richtigen Herd leisten zu können.) Spülmaschinen waren der absolute Luxus und der Traum jeder WG. Ebenso war es mit Waschmaschinen. Meine erste WG war ohne Waschmaschine, in der zweiten stand eine 30 Jahre alte Maschine, die irgendwann zu einem Wasserschaden im Laden untendrunter führte. Später hatten wir eine, an der die Temperatur mit der Zange einzustellen war und dann wieder eine vom Vormieter übernommene, die irgendwann das Heizen aufgab. Neue Sofas gab es unter Studenten auch so gut wie nie. WGs mit Sofas in einem separaten Wohnzimmer waren sehr cool. Die Sofas waren meistens über drei Ecken von der Oma eines Bekannten oder ganz einfach vom Sperrmüll organisiert. So sahen sie auch aus. Wie aus einem Omawohnzimmer. Und trotzdem unglaubliche Schätze für Studenten. Nie wäre eine WG auf die Idee gekommen eine Sofa im Möbelhaus zu bestellen. Das höchste der Gefühle war hier und da mal ein neues IKEA-Sofa.

So unterschiedlich können Lebensentwürfe sein. Während man als Student höchstens für die nächsten drei Jahre plant, plant meine Kollegin so jung schon fürs Leben. Nun frage ich mich, ob meine junge Kollegin was versäumt, weil sie nie arm und jung gewesen sein wird?  Verpasst sie was, weil sie aus der elterlichen Wohnung direkt in eine eigene gutbürgerliche Wohnung zieht, ohne den Umweg über einzige Zimmer in ungeputzen WGs zu machen? Irgendwie glaube ich ja schon, obwohl sie es wohl nie vermissen wird.

Unsere Nachbarn haben ein Baby. Ein noch ziemlich kleines. Neulich hat es im Hausflur geschrien. Unsere Katze, die sich sonst bei ungewohnten Geräuschen in der Nähe unserer Wohnung vorsichtshalber ins Regal hinter die Bücher flüchtet, hat sich knurrend vor unsere Wohnungstür gesetzt und blieb auch noch, lange nachdem das Baby nicht mehr zu hören war, in Lauerstellung sitzen. Jetzt wissen wir also, was die Katze antworten würde, wenn wir sie fragten, was sie von weiterem Familienzuwachs hielte. Sie würde antworten: „Noch so’n lautes, fellrupfendes, wüstes Ding? Ich glaub ihr spinnt!!!“

Kaffeegeschichten

Unser neugieriger und tollpatschiger Kater hat geschafft, worauf ich warte, seit ich mein Notebook habe. Er hat eine Kaffeetasse darüber ausgekippt. Endlich kamen wir also dazu, zu testen, ob die wasserdichte Tastatur am Thinkpad hält was sie verspricht. Und das tut sie. Kaffe lief oben rein und unten raus. Das Notebook war davon eher unbeeindruckt. Nur ein paar Tasten kleben jetzt. Ich hab noch überlegt, ob man zum reinigen vielleicht ein bisschen Wasser hinterhergießen sollte, aber man möchte ja sein Glück nicht überstrapazieren. Allerdings fragt man sich auch, was hätte noch schlimmer werden können. Seit geraumer Zeit plagt uns Error 2100. Wenn man dem Internet glauben mag, ein Thinkpad Problem. Bei uns äußert sich das folgendermaßen. Lässt man das Notebook länger ungenutzt stehen, verliert wohl irgendwann die Festplatte den Kontakt und der Rechner fährt sich runter. Beim autmotischen Wiederhochfahren fiept er zweimal laut und verkündet ERROR 2100 (Festplatte nicht gefunden). Wenn man dann aus- und wieder anschaltet, fährt er normal hoch. Ich weiß wirklich nicht, woran es liegt. Da es immer dann passiert, wenn man nichts dran macht, ist es vermutlich irgendeine Energiesparmaßnahme, die den Rechner dann abschießt. Wir haben schon alle Energiesparmaßnahmen abgeschaltet und auch im BIOS danach gesucht. Wir haben eine BIOS Update und ein Firmware Update gemacht, gebracht hat es nichts. Einerseits bin ich ganz froh, dass der Rechner sich „nur“ ausschaltet, aber immerhin hinterher wieder hochfährt. Bei anderen kommt der Error 2100 bei jeden Hochfahren. Andererseits ist es schon sehr nervig. Weiß irgendjemand was?

Und wo wir grade bei Kaffee waren. Wir haben neulich am Kaffeeregal im großen Supermarkt Kaffee gemahlen. Wir haben den Mahlgrad auf Espresso gestellt. Raus kam ein Pulver mit etwa der Konsistenz von Kakao. Für jede Espressomaschine viel zu fein. Wir können den Kaffee jetzt nur verwenden, wenn wir unten ins Sieb eine Schicht gröber gemahlenen Espressos einfüllen, damit die Löcher nicht verstopfen. Wieso nur mahlt die Maschine im Supermarkt den Espresso so fein?

Zwischenschnipsel

Die Bahn hat den Bau an S21 gestoppt. Vorläufig. Trotzdem wird bei Facebook schon gejammert und lamentiert. Mein Lieblingskommentar:

Es geht los … Der Anfang vom Untergang der Demokratie!!!

Also, ich fass das jetzt mal zusammen. Die S21-Befürworter haben im vergangenen Jahr immer wieder darauf hingewiesen, dass man ja alle möglichen demokratischen Mittel gehabt hätte, das Projekt zu verhindern. Schließlich hätte man ja die Parteien nicht wählen brauchen. Jetzt haben die Gegner genau das gemacht, also haben die CDU nicht gewählt. Und schon wird der Untergang der Demokratie ausgerufen? Nur leider heißt Demokratie nicht, dass man immer das kriegt, was man will, sondern dass, was die Mehrheit will. Ich bin gespannt wieviele der 140.000 ProS21ler bei Facebook sich tatsächlich auf die Straße bewegen um fürs Weiterbauen zu demonstrieren. Es bleibt spannend.

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Erziehen ist anstrengend. Vor allem, wenn man ein Kind mit sehr ausgeprägtem Willen hat. Den hat unser Kleiner. Schon immer gehabt. Gestern haben wir das Experiment gewagt, ohne Kinderwagen zur Post zu laufen. Hat natürlich lange gedauert. Der Kleine und ich hatten einige Diskussionen. Über das Verlassen des Gehwegs und das Beklettern von Bahndämmen zum Beispiel. So im Nachhinein betrachtet hat’s ganz gut geklappt, aber gestern abend war es doch etwas nervenaufreibend. Ich habe ja Hoffnung, dass sich das neu gelernte über Nacht festigt und ich bald ein Kind habe, was brav an Mamas Hand an der Straße langtrottet.

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Am Wochenende gab’s Post vom Finanzamt. Eine Rückzahlung von 2008, weil unser abgesetztes Arbeitszimmer jetzt doch berücksichtigt wurde. Wir waren ganz überrascht und freuen uns auf den unerwarteten Geldsegen.

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Mit dem Wetterbericht ist das so eine Sache. Klar ist die Prognose nicht immer so einfach. Aber dass der Wetterbericht auch das vergangene Wetter falsch berichtet, fand ich am Samstag doch etwas seltsam. Der nette Meteorologe sagte nämlich, dass das Wetter am Sonntag genauso schön bleiben sollte wie am Samstag. Ich blickte verwundert aus dem Fenster. Regen! So richtig verwundert war ich dann nicht, als wir auch am Sonntagmorgen von Regen begrüßt wurden. Ich fragte mich auch, warum der Meteorologe vom überall schönen Wetter berichtete, wo doch auf seiner Wetterkarte im Süden sehr deutlich eine dunkle Regenwolke zu sehen war. Gehören wir jetzt nicht mehr zu Deutschland? Sind wir jetzt von Ostfranzosen zu Nordschweizern geworden.

„Der kleine Stefan

möchte bitte am Ausgang des Landtags abgeholt werden!“

Man hat zu hoffen gewagt, aber bis zur Verkündung des vorläufigen amtlichen Endergebnisses, traute man sich nicht daran zu glauben. Nach 58 Jahren regiert in Baden-Württemberg nun künftig nicht mehr die CDU. Ein bisschen fühlt es sich an wie damals 1998, als Helmut Kohl abgewählt wurde. Ich gehöre zu denen, die 1998 das erste Mal wählen durften, zu denen, die ein nichtkohlregiertes Land bis dahin nie bewusst erlebt hatten. Die Zahl derer, die nie ein nichtCDUregiertes Baden-Württemberg erlebt haben, ist viel größer. Wer die Baden-Württemberger kennt, weiß, warum der Regierungswechsel so erstaunlich ist. In Baden-Württemberg gibt es immer eine große Zahl von „Uns geht’s doch gut!“-Wählern. Das ist ein Spruch, den ich schon als Kind kennengelernt habe. Uns geht’s doch gut, warum sollen wir was ändern. Und natürlich geht’s den Baden-Württembergern im Vergleich gut. Darauf wurde gerade von der CDU im Wahlkampf immer wieder hingewiesen. Und darauf, wie schlecht es den SPD-regierten Ländern geht. Vielleicht sind es aber die falschen Schlüsse. Vielleicht geht es Baden-Württemberg nicht gut, weil es CDU-regiert war, sondern wir waren CDU-regiert, weil es uns gut geht. Was interessiert denn die durchschnittliche schwäbische Hausfrau auf dem Land die Themen Integration („Des Probläm hämma hier nit!“), Bildung („D’Schul isch immr gut gwä!“), Kinderbetreuung („I bleib grn dahoim!“) und was die Großstädter sonst noch so umtreibt. Wer seit Generationen im Eigenheim haust, der hat auch kein Problem damit, dass die Geringverdienenden kaum ihre Miete bezahlen können. Und weil ja in Schwaben auf dem Lande alles gut ist, kann auch alles so bleiben wie es ist. Nur war diesmal nicht alles gut im Ländle. S21 treibt immernoch die Leute auf die Straße und der 30. September ist nicht vergessen. Die S21-Schlichtung hat der CDU genutzt ihre Umfragewerte wieder etwas zu steigern, aber die Pro-Atom-Haltung hat wieder ein paar Prozentpunkte gekostet. Mit einem maroden Kernkraftwerk vor der Haustür, scheint Japan dann doch nicht mehr so weit weg zu sein. Und dass der Herr Mappus sich versucht damit zu brüsten, Neckarwerstheim I bleibt abgeschaltet, wo die EnBW schon erklärt hat, dass ein Weiterbetrieb nicht mehr rentabel ist, bleibt ein durchschaubarer Trick. Neckarwestheim bleibt aus und dafür geht Philippsburg nach dem Moratorium still und heimlich wieder ans Netz. So hatte er sich das gedacht, der Herr Mappus. Nur diesmal ohne die Baden-Württemberger. Es bleibt abzuwarten, was die neue Regierung bringt. Es macht allerdings Hoffnung, dass Baden-Württemberg, (ja, das Land mit den Schwaben), angefangen hat umzudenken, von „Uns geht’s doch gut!“ zu „Uns geht’s zwar gut, aber es wäre auch schön, wenn es übermorgen noch so wäre! Und angelogen werden mag ich gar nicht!“

Zuende

Ich habe gerade stressige anderthalb Wochen hinter mir. Mein Gleitzeitkonto ist aus den Miesen weit in den Plusbereich geschossen. Ich saß kaum an meinem Arbeitsplatz und hab trotzdem noch einiges weggeschafft. Ich war unterwegs und trotzdem Ansprechpartner für Gäste bei uns im Haus. Seit heute mittag ist es rum und ich laufe schon seit heute morgen mit einem Wochenendgefühl durch die Gegend, dass ich mich schon mehrmals dran erinnern musste, dass morgen auch noch gearbeitet wird. Da kann ich in Ruhe mal den Verwaltungskram der letzten Woche erledigen und mir dann überlegen, wann ich meine angesparten Stunden abgleiten will.

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Wann ging das eigentlich los mit dieser Fliegerei? Früher hat man sich für Projektbesprechungen früh morgens oder am Tag vorher in den Zug gesetzt und ist nach dem Termin wieder abgereist, so dass man vor Mitternacht wieder zuhause war. Heute setzt man sich morgens in den Flieger und ist zum Abendessen wieder zuhause. Es hat beides Vor- und Nachteile. Ein Flugticket ist heute meist nicht viel teurer als eine Bahnfahrkarte. Im Zweifelsfall spart man aber eine Übernachtung ein. Für einen Fünfstundentermin ist man mit dem Flugzeug (inklusive Anreise per ÖPNV und Rumgammeln am Flughafen) etwa nochmal fünf Stunden unterwegs. Im Zug säße man mindestens doppelt so lange. Und wenn man dann ausrechnet, was so eine Stunde Arbeitszeit kostet, dann ist das Fliegen allemal billiger als Bahnfahren. Das Beste am Fliegen ist allerdings das abends zuhause sein. Schade am Fliegen ist, dass man sowenig Zeit hat. Wenn man am Vorabend mit dem Zug angereist ist, konnte man in der fremden Stadt noch Freunde treffen oder mit den Kollegen oder dem Chef zu Abend essen. Man konnte ein bisschen in der Stadt schlendern. Und in der Bahn hatte man Zeit zum lesen oder ungestört was am Computer zu basteln. Klar ist so eine Zugfahrt anstrengend, aber ich empfinde es immer noch als unwirklich, wenn ich mich morgens zuhause auf den Weg mache, um den Tag in Berlin zu verbringen und am Abend wieder zuhause zu sein. Irgendwie war man dann gar nicht richtig dort.

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Ich habe eine Geschäftsidee. Man könnte Kinder an Topmanager vermieten. So für ein/zwei Stunden am Tag. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das gegen Burnout hilft. Wenn ich nach einem stressigen Tag von der Arbeit nach Hause komme und dann mit dem Kleinen noch nach draußen gehe, fällt nach kurzer Zeit auf dem Spielplatz aller Stress von mir ab. So ein kleines Kind fordert 100 % der Aufmerksamkeit. Da bleibt kein Platz mehr für die Arbeit. Wenn man sich drauf einlässt, ist das Entspannung pur. Und jeden Abend auf dem Spielplatz denke ich, was das für ein tolles Geschäftsmodell wäre.

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Am Wochenende wird die Uhr umgestellt. Ich gehöre zu den wenigen Menschen, die sich darauf freuen. Überall hört man das Gestöhne, dass uns eine Stunde geraubt wird. Mir wird hingegen eine geschenkt. Der Kleine wacht im Moment meistens zwischen sechs und halb sieben auf. Manchmal sogar schon vor sechs. Oft noch bevor mein Wecker klingelt. Ist zwar ganz praktisch, wenn man morgens ein bisschen Zeit hat, aber gerade am Wochenende wünscht man sich doch, dass man mal länger schlafen kann. Der Kleine (und die Katzen sowieso) lebt ja viel mehr nach seiner inneren Uhr als ich. Das bedeutet also, während mein Alltag sich schon komplett an der neuen Uhrzeit ausrichtet, richtet der Kleine sich nach seiner inneren Uhr. Für mich bedeutet das, wenn alles gut läuft, dass ich vielleicht auch mal wieder ein Wochenende bis halb acht oder acht schlafen kann. Und der zweite Punkt sind die langen Abende. Es wird nach der Zeitumstellung später dunkel, also kann ich nach der Arbeit mit dem Kleinen noch viel mehr Zeit auf dem Spielplatz verbringen. Ich kriege also Zeit geschenkt.

Äpfel und Reaktoren

Heute morgen, als ich dem Kleinen einen Apfel schälte, der nicht mehr ganz frisch und knackig, sondern schon etwas schrumpelig war, fiel mir ein, dass meine Mutter früher immer behauptet hatte, die schrumpeligen Äpfel würden gut schmecken. Sogar besser als die Nichtschrumpeligen. Weil die Schrumpeligen wären ja besonders reif und deshalb auch besonders süß. Bis heute kann ich diese Meinung nicht teilen. Schrumpelige Äpfel schmecken nicht besonders gut, sondern einfach wie schrumpelige Äpfel. Und deshalb hatte ich auch ein klein bisschen ein schlechtes Gewissen, als ich dem Kleinen eben diesen schrumpeligen Apfel servierte, wohlwissend, dass es ihm völlig egal sein würde.

Und bevor hier einer anfängt zu schreien, wie ich dazu käme über Äpfel zu schreiben, wo doch Japan noch immer gegen den GAU und die Erdbebenauswirkungen kämpft, dank des Krieges jetzt jeder weiß, wo das Ypsilon in Libyen hingehört und Knut gestorben ist. Während mich der Eisbär nur mäßig interessiert, bin ich am Japangeschehen schon näher dran. Zum einen, weil ich die zwei hier wirklich kenne, zum anderen, weil ich sowohl die Erdbebenthematik als auch die Reaktorsicherheit mich schon länger begleiten. So schaue auch ich immer wieder nach Japan und denke trotzdem über banales wir schrumpelige Äpfel nach. Manchmal frage ich mich da, ob das mit der Evolution wirklich so gut war. Mit Ignorieren und Verdrängen sind wir dahin gekommen, wo wir jetzt sind. Aber geht das auch so weiter? Vermutlich werden wir unseren Planeten in nicht allzu ferner Zukunft für uns lebensfeindlich gemacht haben. Unglücklicherweise hat mich die Evolution mit der Fähigkeit ausgestattet, das weitestgehend zu ignorieren und stattdessen über das abendliche Fernsehprogramm nachzudenken. Bleibt nur die Hoffnung, dass die Erde ebenfalls mit Ignoranz und der Fähigkeit zu verdrängen ausgestattet ist. Dann wird auch sie mit ein paar Schrammen die Episode „Mensch“ überstehen. Ich bin da guter Dinge.

Verkleidete Männer

Immer wieder, wenn es um Frauen in Führungspositionen oder um beruflich erfolgreiche Frauen allgemein geht, liest man den Vorwurf, Frauen würden sich als Männer verkleiden. Das hier war der Satz, der mich mal wieder zum Nachdenken gebracht hat:

Immerhin sind sich die verschiedenen Sender und Formate in einem einig. Dass man als Frau nur erfolgreich im Beruf sein kann, wenn man sich als Mann verkleidet.

Quelle ist hier. Warum ist aber ein dunkler Hosenanzug oder ein dunkles Kostüm zwangsläufig eine Verkleidung als Mann? Was macht denn weibliche und männliche Kleidung aus? Ich habe heute etnies-Schuhe, Jeans, T-Shirt und Sweatshirt an. Bin ich jetzt als Mann verkleidet? Tragen Männer nicht auch Skateschuhe, Jeans und Sweatshirts? Was ist denn weibliche Kleidung? Ein Rock oder ein Kleid wäre weiblich. Aber auch zu einem Kostüm gehört ein Rock. Und trotzdem ist das eine Männerverkleidung. Liegt es an der Farbe? Müssen Frauen bunt oder pastellfarben gekleidet sein? Wäre dann ein pastellfarbenes Kostüm weiblicher? Und wieder stellt sich mir die Frage: Bin ich als Mann verkleidet? In meinem Kleiderschrank sind vermutlich etwa 90 Prozent meiner Kleidungsstücke schwarz, grau oder blau. Aber ein Kostüm dürfte nicht dunkel sein, damit ich nicht als Mann verkleidet wirke. Allerdings fühlte ich mich vermutlich in Pastell verkleidet. Verkleidet als Weibchen. Und sind nicht die Männer auch als Männer verkleidet? Die tragen Anzug und Hemd. Da wird nicht über die Farbe diskutiert und auch nicht darüber, ob es ein Armani oder ein Strenesse ist. Es ist völlig egal was die anhaben, warum wird bei Frauen darüber diskutiert? Warum wird Frauen vorgeworfen sich zu verkleiden. Sie machen doch auch nichts anderes als die Männer: Sie ziehen was an, was ihnen passt, was ihnen steht und was nicht von dem ablenkt, was sie sagen wollen. Schließlich will man hinterher die sein, die den besonders guten Einfall hatte, und nicht die, mit dem roten Blazer. Ist es da nicht völlig normal, dass die Kleidung von Frauen und Männern sich hauptsächlich durch den Schnitt unterscheidet? Das tut sie nämlich in vielen anderen Bereichen auch nur.

Katastrophengeilheit, oder was?

Da will man nur mal eben seine emails abrufen und auf der web.de Startseite erwartet einen der „Live Ticker: Mega-Tsunami – 18 Tote“. Finde nur ich das pervers? Ein Live-Ticker über die Zahl der Toten? Und dieser Bild-Jargon „Mega-Tsunami“. Das bringt mich dann dazu, wirklich mal zu Bild zu surfen. Dort lautet die neueste Tickermeldung:

10.57: Seismologen: Japan-Erdbeben wurde sogar in Deutschland gemessen.

Ähm ja, liebe Bild, auch japanische Erdbeben kann man in Deutschland messen. Hat was mit Wellenausbreitung und so zu tun und ist eigentlich keine fettgedruckte Meldung wert. Und bestimmt ist es keine Neuigkeit. Aber bestimmt gibt es gleich wieder eine Todesopferzahl zum fettdrucken. Ich geh dann mal…