Manchmal wird einem schlagartig klar, dass man doch schon was gelernt hat im Leben. Wenn ich mir überlege, wo ich stand, als ich vor etwa 3 Jahren angefangen habe zu arbeiten. Und noch krasser, wenn ich mir überlege, wie es war, als ich mit der Schule fertig war. Nach dem Abi, da denkt man ja irgendwie man wüsste alles und sei bereit für das wahre Leben. Dann fängt man an was zu studieren, merkt, dass man leider keine Ahnung hat wie es ist ohne die Menschen zu leben, die man schon sein Leben lang oder immerhin schon über mehrere Jahre kennt. Und vor allem, zumindest, wenn man ein Physikstudium beginnt, merkt man, wie wenig man eigentlich weiß. Wenn man dann nach ein paar Semestern eingesehen hat, dass man mit Erklärungen der Welt allenfalls an der Beschichtung der Oberfläche kratzt, hat man es plötzlich damit zu tun, Entscheidungen zu fällen, die dann das ganze Leben beeinflussen (wie man meint). In welche Richtung soll meine Diplomarbeit gehen und damit die Weichen für das Berufsleben stellen? Und plötzlich ist man fertig, denkt man wüsste nicht mehr, als 5 Jahre zuvor. Dann muss man sich für den weiteren Weg entscheiden, Vorstellungsgespräche meistern. Die Horrorfrage: Was sind Ihre Stärken, was ihre Schwächen. Unmittelbar nach dem Studium wäre ich tatsächlich nicht in der Lage gewesen, sowas wahrheitsgemäß zu beantworten. Zu sagen „das kann ich nicht so gut, macht aber nix, dafür kann ich was anderes“ ist was, was man in der Schule sowieso nicht und auch im Studium nur selten lernt. Wenn man dann irgendwann feststellt, dass man kein Problem mehr damit hat Schwächen zuzugeben, weil man weiß, was man stattdessen kann, also wirklich ein Selbstbewusstsein entwickelt hat, dann merkt man, dass man etwas dazugelernt hat. Und da stellt man fest, dass sich das mit dem Studium doch gelohnt hat.
Jetzt arbeite ich seit etwas mehr als drei Jahren. Letzte Woche hat mein Diplomand mir die ersten paar Seiten seiner Arbeit zu lesen gegeben. Die bekam er komplett blau (word hat blau markiert) zurück. Über manche Textpassagen musste ich den Kopf schütteln. Man kann doch nicht in einem wissenschaftlichen Text einen Satz mit „Das dem nicht so ist“ beginnen. Klar, er hat noch nie sowas geschrieben und ich fand’s auch gar nicht schlimm, dass er da noch Defizite hat. Aber da ist mir bewusst geworden, welche Fortschritte ich selbst beim Formulieren wissenschaftlicher Texte gemacht habe. Den ersten Bericht, den mein Chef zu lesen bekam, kriegte ich auch noch komplett rot zurück. Inzwischen höre ich stattdessen öfter „Das fand ich gut.“. Schön, wenn man kapiert, dass man noch nicht stehengeblieben ist, sondern durchaus noch in der Lage dazuzulernen.