Das ist ja vielleicht nichts Neues, aber angestoßen durch eine twitter-Frage von Glücklich Scheitern, hat sich auch schon Mama Miez zu dem Thema geäußert und da wollte ich gerne auch meinen Senf dazu abgeben.
Ich bin mit der Zeit Feministin geworden. Als ich noch zur Schule ging, war ich auch oft der Meinung, wir hätten doch im Bezug auf Gleichberechtigung schon alles erreicht. Seit ich denken kann, war ich gleichermaßen mit Jungs und Mädels befreundet. Ich hab mit Puppen gespielt und fand Barbie doof. Ich kann mich nicht erinnern eine ausgeprägte Rosaphase gehabt zu haben und zu Grundschulzeiten fand ich rosa völlig inakzeptabel. Ich hatte lange Jahre meiner Kindheit kurze Haare. Das heißt, um den ganzen Jungs-Mädchen-Quatsch habe ich mich immer wenig gekümmert. Deshalb hab ich mir auch nie viele Gedanken darüber gemacht, dass ich gut in Mathe war und hab auch bei der Studienwahl nicht drüber nachgedacht, ob da wohl andere Frauen in meinem Semester sein werden. Das soll aber nicht heißen, dass ich nicht schon zu Schulzeiten damit konfrontiert wurde, dass das eben nicht in allen Köpfen so ist. Als ich in der zwöften Klasse in allen sechs Matheklausuren 15 Punkte schrieb‘, war das wohl so eine Sensation, dass sogar die 13er davon Wind bekamen. Einer von denen äußerte sich sehr ungläubig und meinte, ein Mädchen, dass so gut sei in Mathe, das könne er nicht glauben.
Das Grundstudium habe ich mit den Physikern absolviert. Der Frauenanteil lag bei 25 %. In den ersten Semestern wurden in den physikalischen Fächern spezielle Tutorien für Frauen angeboten. Bei uns hat das niemand wahr genommen und verstanden was das soll, habe ich damals auch nicht. Im Tutorium muss man an der Tafel Aufgaben vorrechnen. Es gibt wohl Frauen, die sich da weniger trauen, wenn Männer anwesend sind.
In meinem Hauptfach waren wir zu sechst, ich war die einzige Frau. Mir war das egal. Ich hatte auch hier noch nicht den Eindruck, dass man als Frau viel anders behandelt wird. Trotzdem kam es immer wieder vor, dass man Professoren erlebte, die sich in Prüfungen Frauen gegenüber unmöglich verhielten oder das Praktikumsbetreuer völlig von der Rolle waren, wenn man im Sommer bei über 30 °C im kurzen Rock und Trägertop auftauchte.
Ich hatte auch bei meiner Bewerbung nach dem Studium keine Probleme. Ein Gespräch und den Job hab ich immer noch. Zuerst arbeitete ich im Bauingenieurwesen, jetzt im Maschinenbau. Durch meine Teilnahme an einem Mentoring-Programm zur Frauenförderung als Mentee und in einem Online-Mentoring-Programm für Schülerinnen als Mentorin, habe ich gelernt, dass es erstaunlich viele Mädchen gibt, die sich nicht trauen sich in technischen Bereichen zu bewerben. Im Moment ist es in der Tat so, dass die Frauen, die sich in Männerdomänen durchsetzen, vielleicht wenig Probleme mit Diskriminierung oder diesbezüglich ein dickes Fell hatten. Es ist aber sehr wichtig der kommenden Generation beizubringen, dass sie alles tun können, was sie wollen, unabhängig von ihrem Geschlecht. Deshalb störe ich mich an geschlechterspezifischem Spielzeug, an Mädchen- und Jungsfarben und überhaupt daran, dass es heute sogar Klebstoff und Badezusatz in rosa und blau für Prinzessinnen und Piraten gibt. Ich möchte, dass Kinder lernen, dass es wichtig ist, klug und selbstbewusst zu sein, statt hübsch oder stark.
Das heißt aber nicht, dass ich meinen Söhnen geschlechtsneutrales Spielzeug aufzwinge. Der Herr Gartenhein interessiert sich von kleinauf hauptsächlich für Autos. Niemand von uns hat ihm das vorgelebt, wir hatten lange Zeit nicht mal ein Auto. Trotzdem hat er mit etwa einem Jahr beim benachbarten Autohaus mit den Maseratis gekuschelt. Der Schlökerich interessiert sich viel stärker für Rollenspiele (z.B. Playmobil), für Babys (Puppen) und fürs Kochen. Er ist sehr fürsorglich, bringt einem Kissen und Decken, wenn man auf dem Sofa liegt. Kinder sind eben unterschiedlich. Ich erlaube ihnen sich mit den Dingen zu beschäftigen, die sie interessieren, ganz egal, ob das „Jungs“- oder „Mädchenspiele“ sind. Ich bin sehr froh, dass meine Kinder nicht die klassische Rollenverteilung kennen lernen, sondern sehen, dass der Papa einkauft, kocht und putzt, während die Mama arbeitet, Auto fährt und Fahrräder repariert.
Wir haben die umgekehrte Rollenverteilung nicht deshalb gewählt, weil ich ein besonderes Karrierebedürfnis habe (obwohl ich schon immer gesagt habe, dass ich mal arbeiten will, auch wenn ich Kinder habe), sondern einfach aus dem Sachzwang heraus, dass ich der Hauptverdiener war und bin. Dazu kommt, dass ich eigentlich gerne zur Arbeit gehe und D. sehr dankbar bin, dass er mir meine Arbeit in der Form ermöglicht. Dadurch, dass er zuhause ist, was er übrigens auch gerne macht, kann ich ohne größere Probleme an Fachtagungen teilnehmen oder auch mal im Außendienst unterwegs sein. Mir ist aber durchaus bewusst, dass wir ein ungerechtes Modell nur umgekehrt leben. Dem Feminismus liegt daran, dieses ungerechte Modell zu verbessern. Warum muss jemand, der entscheidet ein paar Jahre bei seinen Kindern zu verbringen im Alter dafür büßen, weil er zwar die Rentenzahler großgezogen hat, dafür aber keinen Beitrag in die Rentenkasse gezahlt hat.

In der Arbeitswelt ist die Gleichberechtigung leider noch nicht überall angekommen und wer das denkt, ist naiv. Selbst der als ach so frauenfreundlich gepriesene öffentliche Dienst, ist hier nicht besser. Da werden auch schon mal Mütter aus technischen Bereichen in die Verwaltung versetzt, weil die besser teilzeitgeeignet sei. In der Wissenschaft werden Frauen immer dann vorgeschickt, wenn es gilt etwas zu präsentieren. Damit auch alle sehen, wie frauenfreundlich man ist. Am Ende sind es aber dann doch die männlichen Kollegen, die die festen Stellen und die Professuren besetzen. Die fallen nämlich beim Kinder kriegen in der Regel nicht aus. Selbst wenn man nur ein paar Monate aussetzt, verpasst man doch für mindestens ein Jahr alle relevanten Fachtagungen. Erst, weil man mit Stillkind nicht ohne Begleitung eine Tagung besuchen kann und die Reisekosten für eine Begleitperson privat bezahlen muss und später dann, weil man in den paar Monaten Pause keinen wissenschaftlichen Output erzeugt hat, der es wert wäre präsentiert zu werden.
In der Industrie/Wirtschaft ist das alles noch schwieriger. Frauen in Führungspositionen verlieren ihre Position, sobald das erste Kind kommt. Bewirbt man sich mit Anfang dreißig kinderlos auf eine Stelle, wird man nicht eingestellt, da anzunehmen ist, man fällt demnächst schwanger aus. Bewirbt man sich mit Kindern auf eine Stelle, wird man aussortiert, weil man als Mutter nicht flexibel genug ist. Da in Vorstellungsgesprächen solche Themen in der Regel ausgeklammert werden, kommt man noch nicht mal in die Position, sein Lebensmodell erklären zu können. Meistens wird man einfach nicht mal eingeladen.
In den männerdominierten MINT-Bereichen werden Frauen seltener eingestellt, auch bei nachgewiesener höherer Qualifikation. Natürlich gibt es hier auch andere Beispiele und Frauen, die es trotzdem geschafft haben, aber man sollte nicht die Minderheit als Normalität darstellen, wie es unsere Ex-Familienministerin Schröder getan hat. Sie meinte z.B. eine Frauenquote wäre unnötig, weil  sie und ihre Freundinnen hätten es ja auch alle so geschafft. Es geht aber nicht um die, die es so schaffen, sondern um die, die immer wieder daran scheitern, dass sie das falsche Geschlecht haben.

Ich könnte auch sagen, mir geht es gut. Ich habe einen Job, der uns ernährt, der zwar befristet ist, die Verträge aber immer verlängert werden. Trotzdem sehe ich aber, dass immernoch einiges schief läuft bei der Gleichstellung von Frauen (und Männern) die Familienarbeit leisten. Ich fürchte, dass die starke Abgrenzung von Jungs und Mädchen im Kindesalter, sich später negativ auswirkt. Wie soll man gleichberechtigt mit anderen Menschen zusammenarbeiten, wenn man zeitlebens gelernt hat, dass die anders sind als man selbst. Ich möchte gerne, dass die Menschen als Menschen gesehen werden und nicht als Frauen und Männer. Deshalb bin ich Feministin.