Das Laufen und ich sind in den letzten Tagen kein Team. Am Sonntag wollte ich eine kleine Runde drehen, habe aber auf dem Weg in den Wald einen alten Zustellerkollege getroffen und war deshalb erst da, als es schon fast dunkel war. Es war warm und der Waldweg an mehreren Stellen so schlammig, dass man bis über die Schuhsohle eingesunken ist. Nach zwanzig Minuten hatte ich keine Lust mehr und auch die leise Vermutung, dass ein Joghurt, eine Handvoll Nüsse und zwei Kaffee (einer davon mit Baileys) keine gute Grundlage für einen 5km-Lauf sind. Heute ging’s dann in die nächste Runde, diesmal wirklich bei Tageslicht. Heute war es auch so kalt, dass der Waldboden gefroren war, also kein Rumgeglitsche im Schlamm. Nach der halben Strecke ungefähr war ich gerade euphorisch und überzeugt, dass ich heute den Rhythmus gefunden hatte, den ich am Sonntag verzweifelt gesucht hatte. Und dann ist es passiert. Eine Wurzel stellte mir ein Bein. (Seltsamerweise passiert mir sowas nie, wenn ich im Halbdunkel laufen gehe.) Was das menschliche Gehirn zu leisten fähig ist, wird einem in so einem Moment klar. Die Fülle an Gedanken, die einem durch den Kopf rast vom Zeitpunkt des Stolperns bis zum Aufschlag auf dem Boden ist phänomenal. Es geht los mit „Mist, das ist jetzt nicht passiert. Kann ich mich irgendwie noch fangen? Wohl nicht.“ gefolgt von „Scheiße, Zeit zurückdrehen und ich stolper nicht!“. Dann überlegte ich mir, ob es sinnvoll ist, die Arme auszustrecken oder ob ich mich dann nur unnötig verletzte. Es folgte eine kurze Bestandsaufnahme, ob auch alle Körperteile noch richtig positioniert ist, nichts verdreht wird. Sind auch genug Leute in Rufweite, falls ich mir jetzt ernsthaft was tue? Und dann lag ich. In dem Moment wo einem das unausweichliche, hier der Sturz, bewusst wird, sieht man so unglaublich klar. Das erinnert mich immer an den einzigen wirklichen Autounfall, den ich bisher hatte. Wir fuhren gerade auf die Leitplanke zu und ich hab vor dem Aufprall noch abgecheckt, ob die Fahrerin das Lenkrad festhält und ob wir auch alle angeschnallt sind. Alles wie in Zeitlupe, aber aus irgendeinem Grund war ich sicher, dass uns nichts passieren wird. So, war das eben beim Hinfallen auch. Und dann lag ich auf dem Waldboden und ärgerte mich, dass er so hart gefroren war. Da nichts wehtat bin ich gleich wieder aufgestanden und zehn Schritte gegangen. Immernoch tat nichts weh außer meinen Händen (manchmal bin ich doch froh, dass ich ein paar Muskeln um mein Skelett herum gepackt habe in den letzten Jahren), also bin ich weitergelaufen, aber auch nur die Pflichtrunde von 5 km. Jetzt brennen meine Handballen immernoch und beim Duschen hab‘ ich auch noch eine abgeschürfte Stelle an der Hüfte gefunden. Aber da kann das Laufjahr nur besser werden.