Jedes Jahr zu Weihnachten ereignet sich in unserem Haus Seltsames. Meist spät abends bis nachts treffen sich dort zwei junge Männer um stundenlang mit gebeugten Rücken über unserem Esstisch zu verbringen um sich im Tipp-Kick zu messen. Als früher beide noch Kinder waren und noch zu Hause lebten, wurden komplette Bundesligasaisons, damals noch auf dem Boden sitzend und kniend, nachgespielt. Heute beschränkt sich das ganze aufs große Weihnachtsturnier, bei dem dieses Jahr schon mal die Europameisterschaft durchgespielt wurde. Ein Spiel dauert drei Minuten und gespielt wir auf einem Velours-Großfeld nach Hausregeln, wie mir berichtet wurde. Was wirklich interessant dabei ist, ist wie die beiden aufeinander eingespielt sind. In den letzten 20 Jahren haben die beiden soviel Partien gespielt, dass schießen, Farbe erkennen, Mauer verrücken, Mauer aufstellen oder wegstellen ohne Nachdenken und ohne Spielverzögerung stattfindet. Ansprechen während das Spiel läuft ist verboten, die beiden befinden sich in höchster Konzentration. Beide spielen mit unterschiedlicher Taktik und Technik, die bei beiden allerdings gleichermaßen zielführend ist. Die Spielfiguren sind inzwischen so alt, dass die Farbe beinahe komplett abgeblättert ist. Neue Figuren wollen beide nicht, da sie keine Zeit zum einspielen finden. Jede Spielfigur hat besondere Eigenschaften und hat eine eigene Persönlickheit entwickelt. Da wird nicht gesagt: „Dieser hier eignet sich gut dafür“, sondern „Der Kameruner, der kann das gut.“. Als Nicht-Spieler kann man darüber nur schmunzeln, aber ich freue mich schon auf die nächste Ausgabe des Weihnachtsturniers, die wohl erst in ein paar Jahren wieder stattfindet.
Dieses Jahr habe ich leider das spannende Finale verpasst, aber Deutschland ist Europameister. Jetzt müssen es die großen Spieler ohne Knopf auf dem Kopf nur noch nachmachen.