Dieses Jahr vor Weihnachten hat sich mein Abijahrgang getroffen. Inoffizielle Abitreffen gab’s fast jedes Jahr und dreimal sind wir auch schon mit etwa 20 Leuten in eine Hütte in die Schweiz gefahren. Dieses Mal hatten sich aber zwei Mädels wirklich reingehängt und schließlich die Adressen aller knapp 100 Abi99er aufgetrieben. Zusagen gab’s einen Monat vor dem Treffen schon über 50.
Kurz nach sechs am 22.12. standen wir dann also vor der Tür der Kneipe, wo das Treffen stattfinden sollte und in der ich, trotz des spärlichen Kneipenangebots in DS, noch nie gewesen war. D. rauchte noch eine und ich machte mir Gedanken ob ich die Leute wohl noch erkenne nach 8 Jahren. Aber alle Bedenken waren unbegründet, alles genau die gleichen Nasen wie damals. Nur einer junger Mann machte mir Kopfzerbrechen. Hippe Brille und Frisur, rosa Polohemd, wer sollte das denn sein. Ob den wohl jemand mitgebracht hat? Aber plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Das war der Bauerntrampel aus der Parallelklasse, der einer der fünf pubertierenden Jungs gewesen war, mit denen ich und ein Mädel, auf das sie alle scharf waren, unsere Religionsfreistunden in der neunten Klasse verbrachten. Erstmal ins Minimal und danach anzügliche Sprüche reißen, so sahen die Freistunden aus. Das der Bauerntrampel schon beim Abi nicht mehr der pubertierende Junge, sondern ganz nett war, wurde mir von verschiedener Seite versichert. Allerdings fällt es mir schwer das zu glauben.
Wir blieben erstmal neben der Garderobe stehen, da war das Gedränge nicht so groß. Ich stand ungläubig staunend da, nur fähig zu sagen: „Mich schickt’s voll!“. Alle die Leute plötzlich wieder in einem Raum zu sehen war wirklich seltsam. Und dann saßen, aßen und tranken wir. Zur Verwirrung hatten wir D. nicht direkt neben mir platziert, aber es sprach sich doch schnell rum, dass er zu mir gehört. Auf „Und was machst Du jetzt“-Smalltalk hatte ich nicht wirklich viel Lust. Die Kommunikation innerhalb unseres Jahrgangs funktioniert so gut, dass man bei den meisten ohnehin weiß, was sie gerade machen. Allerdings gab es zwei Leute, die ich wirklich seit dem Abi nicht mehr gesehen hatte, und mit denen ich gerne reden wollte. Einen davon, das Mondkalb, wie wir ihn früher mal nannten, hat D. sich schon beim Rauchen vor der Tür gekrallt. D. wusste, dass ich in den mal verliebt war (in der 7./ 8./9. Klasse insgesamt bestimmt fast ein Jahr lang) und mischte sich so ganz nebenbei in ein Gespräch über Fahrräder ein. Als dann alle vom Rauchen wieder rein kamen, standen die beiden noch immer vor der Tür, inzwischen beim Thema Kinder, wovon der Mondkalbjunge drei hat, angekommen. Wirklich seltsam die beiden zusammen zu sehen. Die sahen nicht aus, als kennen sie sich gerade mal zehn Minuten lang. Und während wir da dann noch standen, kam auch schon der zweite, mit dem ich gerne reden wollte. Der hatte nämlich sämtliche Erdkunde-LK Stunden dafür genutzt mich einer „Sardinien-ist-toll“-Gehirnwäsche zu unterziehen, die angeschlagen hat. Sardinien ist tatsächlich toll und diese Erkenntnis wollte ich ihm nicht vorenthalten. War auch genau sein Thema und wir bekamen einen erneuten „Sardinien-ist-toll“-Vortrag, als wären keine acht Jahre vergangen seit dem letzten. Schön 🙂
Ich habe noch mit einigen anderen geredet an dem Abend, war überrascht, berührt, zurückversetzt und glücklich. Ich freue mich wirklich schon auf’s „10Jährige“ nächstes Jahr. Die Party wurde irgendwann in DIE Szenekneipe (Kleinstadt eben) verlegt und gegen drei nahmen wir eine Mitfahrgelegenheit nach Hause wahr.
D. fragte hinterher, wer denn nun alles nicht da gewesen sei. Naja, etwa die Hälfte, aber die ganzen „coolen Leute“ (Zitat einer Freundin meiner Schwester) waren da, gefehlt haben die, mit denen ich schon früher nicht wirklich was zu tun hatte.